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Gesundheit: Elektronischer Lotse im Kunstgelenk

Vorsicht, wenn Sie jetzt morgens vors Haus treten! Es gab schon Nachtfrost, es ist novemberfeucht und -dunkel, es könnte glatt sein.

Vorsicht, wenn Sie jetzt morgens vors Haus treten! Es gab schon Nachtfrost, es ist novemberfeucht und -dunkel, es könnte glatt sein. Und schon findet man sich in der Horizontalen wieder, womöglich mit gebrochenem Handgelenk oder gar Oberschenkelhals. Wer Glück im Unglück hat, kommt dann in eine Klinik mit guter Unfallchirurgie und gerät an einen Arzt, der die Frage "Konservativ oder operativ behandeln?" sachkundig und objektiv entscheidet und der den vielleicht notwendigen Eingriff schon oft und erfolgreich ausführte.

Aber welcher Verunglückte ist in der Lage und hat auch den Mut, Ärzte danach zu fragen? Und welcher Chirurg ist bereit und hat auch die Zeit, dem Patienten Rede und Antwort zu stehen? "Der Patient hat ein Anrecht auf transparente Informationen über die begründete Richtigkeit einer medizinischen Maßnahme. Über drei Viertel der Bevölkerung wünschen sich Informationen zur Beurteilung eines Arztes, ebenso viele wollen Ärzte bei Kunstfehlern stärker zur Rechenschaft ziehen. Dem wollen wir uns stellen." Goldene Worte des Mainzer Chefarztes Peter Kirschner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, deren 65. Jahrestag morgen in Berlin endet.

Das Tagungsmotto "Anspruch und Erfolg" hätte auch "Wunsch und Wirklichkeit" heißen können, und nach Kirschner geht es letztlich um die Qualität der Patientenversorgung. Freimütig bekannte er, dass die Fachgesellschaft noch gar nicht in der Lage ist, sie den Patienten transparent zu machen. Sie hat selbst noch keinen Überblick über Erfolge und Mißerfolge in den Unfallkliniken. Kirschner forderte, jede Klinik solle die Ergebnisse der Behandlung von fünf bis zehn häufigen Krankheiten erfassen und offenlegen, auch den potenziellen Patienten.

Für das Ungleichgewicht von Anspruch und Erfolg gab es auf diesem Kongress auch andere Beispiele. Dass Lahme wieder gehen können, nachdem ihr schmerzhaft verschlissenes oder gebrochenes Hüftgelenk durch eine Endoprothese erneut funktionsfähig wurde, ist uns heute selbstverständlich, der Anspruch auf volle Wiederherstellung ist grenzenlos. Die Lebensdauer der "neuen Hüfte" aber ist begrenzt.

Manchmal kommt es zum Beispiel noch nach Jahren zu einer Knocheninfektion, die sehr schwer bekämpfbar ist. Denn die Bakterien, die sich auf Fremdkörpern wie Endoprothesen oder Metallimplantaten in gebrochenen Gliedmaßen ansiedeln, sind durch eine selbst gebildete Schleimschicht vor Antibiotika geschützt. Wie Gerhard Schmidmaier von der Berliner Uniklinik Charité berichtete, experimentiert man jetzt mit Implantat-Beschichtungen, die Antibiotika enthalten und langsam freisetzen. Um das Anheften von Keimen zu verhindern, brauche man bei dieser örtlichen Anwendung viel geringere Dosen als bei systemischer Gabe.

Gleichfalls noch im experimentellen Stadium - "zwischen Anspruch und Erfolg" - befinden sich zwei neue chirurgische Hilfstechiken: Navigation und Robotik. Künftige Erfolge verspricht Kirschner sich eher von der Navigation als von der Robotertechnik, vor allem am Knie, aber auch bei der Hüftpfanne. Dabei verbindet man die chirurgischen Instrumente mit einem Rechner, der jeden Schritt der - von Hand ausgeführten - Operation kontrollierbar macht. So kann der Chirurg auf dem Bildschirm verfolgen, ob das Kunstgelenk die geplante Position hat, und er kann den Sitz korrigieren, wenn der Patient unter den Tüchern womöglich seine Lage verändert hat. Man hofft, das Risiko von Lockerungen und Verrenkungen des Kunstgelenks so zu verringern.

Das Verfahren sei schon jetzt weit verbreitet, denn, so teilte Jürgen Höher von der Charité mit, die Hersteller von Implantaten böten gleichzeitig ihre Navigationssysteme an. Aber es gebe nicht nur den Druck durch die Industrie, auch technikgläubige Patienten machten Druck, sagte Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor des Unfallkrankenhauses Berlin. Die wissenschaftliche Gesellschaft der Unfallchirurgen wolle nun dafür sorgen, dass solche neuen Methoden sich nicht ohne Erfolgsprüfung und Qualitätssicherung ausbreiten.

Immerhin liegen für schwierige Eingriffe zur Stabilisierung der Wirbelsäule schon Ergebnisse von Studien vor, berichtete Norbert Haas, Direktor der Charité-Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie: Mit Hilfe der Navigationstechnik konnten Schrauben präziser in die Wirbelkörper gebohrt werden. Damit kam es seltener zu Verletzungen des Rückenmarks und der Nerven. Hier nähern sich Anspruch und Erfolg.

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