zum Hauptinhalt

Gesundheit: Er fährt auf der Überholspur Der Juniorprof ist ein Pilotprojekt

Vorsicht! Nicht alle durch die Gänge schleichenden Endzwanziger sind Studenten.

Vorsicht! Nicht alle durch die Gänge schleichenden Endzwanziger sind Studenten. Trägt er Anzug, Laptop und eine quergelegte Sorgenfalte auf der Stirn? Ist er bleich, übernächtigt, schreibtischgekrümmt? Dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine rares Exemplar der neuen Gattung „Juniorprofessor“, von der es in Berlin erst einige wenige Exemplare an der HumboldtUniversität gibt. Mit den Juniorprofessoren will die Bundesregierung frischen Wind in die Unis bringen. Bislang muss jemand, der Professor werden will, zusätzlich zur Doktorarbeit eine große Arbeit verfassen, die Habilitationsschrift. Darüber wird er oder sie meist 40 Jahre alt. Und dann wartet er noch einige Jahre auf einen Lehrstuhl. Viele merken dann, dass es für sie gar keine feste Stelle gibt – und werden Taxifahrer.

Mit dem neuen Überholspur-Professor soll sich alles ändern. Wer Professor werden will, soll in Zukunft schon als 30-Jähriger zeigen, ob er das Zeug dazu hat: eben als Juniorprofessor, der unabhängig von einem „echten“ Professor forscht und lehrt. Statt der klassischen Habilitation, dem vereinsamenden Verfassen von Letzt- und Endgültiggültigem, genügt ihm der wissenschaftliche Quickie. Einige Aufsätze oder ein kleineres Buch ersetzen die dicke Forschungsarbeit. Aber trotzdem hat der Nachwuchswissenschaftler keine Ruhe, wird evaluiert, taxiert, vermessen. Vorbei ist es mit der jugendlichen Lässigkeit, das Haar unter dem Doktorhut wird langsam sorgengrau. Nach spätestens sechs Jahren sollen die „Juniorprofessoren“ dann erfahren, ob sie einen Lehrstuhl für immer bekommen.

An den Unis halten viele die Juniorprofessur für eine gute Idee, doch gibt es auch viel Gegenwind. Kritiker befürchten, ohne Habilitation würde eine Generation von wissenschaftlichen „Dünnbrettbohrern“ heranwachsen. Außerdem weiß der Start-up-Wissenschaftler gar nicht, ob ihn später jemand haben will, schließlich ist er ein akademisches Pilotprojekt.

Weil er misstrauisch ist und nachts ohnehin nicht schlafen kann, zieht er sich schließlich in seine stille Studierstube zurück und schreibt doch noch seine Habilitation. Sicher ist sicher.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false