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Gesundheit: Erst zur Bank, dann an die Uni

Was kostet ein Studentenleben? Zwei Unions-Länder entwickeln Konzepte für Studiengebühren – und streiten über das Bafög

Die unionsregierten Länder sind gut für den Tag X aufgestellt: Falls das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Studiengebühren aufhebt, können sie sofort reagieren. Hamburg und Baden-Württemberg, beide CDU-regiert, entwerfen zur Zeit Konzepte für ein gemeinsames Unions-Modell. Beide Länder verhandeln bereits mit Großbanken über die Finanzierung. Die SPD-regierten Länder dagegen wollen an ihren Studienkonten festhalten, die ein gebührenfreies Erststudium ermöglichen. Die Diskussion um Studiengebühren ist am Wochenende nach dem Urteil zur Juniorprofessur aufgeflammt.

Wie berichtet hatten die Karlsruher Richter die Einführung der Juniorprofessur und die faktische Abschaffung der Habilitation im Hochschulrahmengesetz (HRG) am vergangenen Dienstag für verfassungswidrig erklärt, weil dies die Rahmenkompetenzen des Bundes in Bildungsfragen überschreite. Bulmahn schrieb in der von ihr initiierten HRG-Novelle von 2002 auch das Verbot von Studiengebühren fest – und wird aller Voraussicht nach noch in diesem Jahr von Karlsruhe gestoppt werden. Damit rechnet nun auch Bulmahn: „Wir bereiten uns auf verschiedene Varianten des Urteils vor“, sagte die Ministerin gestern.

Eckpunkte des Modells der Unionsländer, an dem Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) und sein baden-württembergischer Kollege Peter Frankenfeld (CDU) arbeiten, stehen unterdessen bereits fest, wie der Tagesspiegel gestern erfuhr:

Sozial: Es soll sich um sozial verträgliche Studiengebühren handeln mit einer Belastung von 500 Euro pro Semester.

Bezahlbar: Studenten, die diese Gebühren nicht direkt zahlen können, erhalten ein Darlehn, das sie erst dann zurückzahlen müssen, wenn sie erfolgreich im Beruf sind und über ein entsprechendes Einkommen verfügen.

Gezielt: Die Einnahmen aus den Studiengebühren sollen sofort den Hochschulen zur Verfügung stehen, damit vor allem die Betreuung in der Lehre verbessert wird.

Einig sind sich Dräger und Frankenberg auch darüber, dass kostendeckende Studiengebühren nicht in Frage kommen. Dazu sind die Unterschiede in den Studienkosten zu hoch: 2500 Euro kostet ein Betriebswirtschaftsstudium, 15 000 Euro ein Studium in den Ingenieurwissenschaften pro Jahr. Die CDU-Länder möchten daher die Höhe der Studiengebühren zunächst auf 500 Euro pro Semester begrenzen. Das entspricht den Gebühren für Langzeitstudenten in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und dem Saarland. Dass es später zu einer Differenzierung der Studiengebühren je nach den Kosten und Einkommen kommen kann, sei aber nicht ausgeschlossen.

Zwischen den beiden Modellierern umstritten ist das Finanzierungs- und damit das Darlehensmodell für die Studenten. Hamburgs Wissenschaftssenator Dräger hatte in seinem ursprünglichen Finanzierungsmodell aus dem Jahr 2003 noch ein Gesamtkonzept für Studiengebühren und Lebenshaltungskosten vorgelegt. Danach sollten wie beim Bafög 4000 Euro pro Jahr für die Lebenshaltungskosten und 2500 Euro für die Studiengebühren angesetzt werden. Das hätte einen Darlehensbetrag von 6500 Euro pro Jahr und Student erfordert. Dräger war davon ausgegangen, dass bei einer Verzinsung von fünf Prozent die Verschuldung eines Studenten bei Einhaltung der Regelstudienzeit von fünf Jahren 32 500 Euro erreichen wird. Als Rückzahlungsraten hatte Dräger monatlich 250 bis 300 Euro vorgesehen. Bei einer solchen Belastung könnten die Schulden der Studenten innerhalb von 13 Jahren getilgt werden. Dieses Modell muss nun völlig neu durchgerechnet werden, weil pro Jahr nicht mehr 2500 Euro Studiengebühren anfallen, sondern nur noch 1000 Euro. Dennoch will Dräger den Studenten ein Gesamtpaket von Studiengebühren und Lebenshaltungskosten anbieten. Das entspreche der realen Lebenssituation.

Wissenschaftsminister Frankenberg dagegen möchte die Lösung der heiklen Gebührenfrage von der Bafög-Reform abkoppeln. Beim Bafög ginge es sofort um den Grundsatzstreit, ob die Bemessung der Lebenshaltungskosten nach Bedürftigkeit oder unabhängig vom Einkommen der Eltern gestaltet werden soll. Dies könne die Debatte um die Studiengebühren nur belasten, sagt Frankenberg. Dennoch betont der Minister, dass es zu keiner übermäßigen Anhäufung von Schulden aus Bafög und Studiengebühren kommen darf. Studenten, die ihre Gebühren nicht sofort bezahlen können, müssten einen Darlehensvertrag mit einer Bank abschließen. Voraussetzung sei lediglich die Immatrikulation, nicht aber der Nachweis einer Bedürftigkeit. Studenten, die die Regelstudienzeit von fünf Jahren zuzüglich vier Toleranzsemestern überschreiten, bekommen kein Darlehen mehr, sondern müssen sofort zahlen.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD, Jörg Tauss, kritisiert das Darlehen-Modell. Um die von Dräger in Aussicht gestellten „preiswerten Kredite“ bei den Banken sicherzustellen, müsste der Staat diese stützen, für die Zinsdifferenz aufkommen und für eventuelle Kreditausfälle bürgen. Dieses Geld würde zwangsläufig dem Hochschulsystem entzogen werden. Die SPD–Länder bleiben bei ihrer Auffassung, auf die sie sich im Oktober 2003 geeinigt haben: „Studiengebühren sind unsozial und haben einen abschreckenden Effekt für potenzielle Studenten“, wie Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Ute Erdsiek-Rave gestern sagte. Aus Nordrhein-Westfalen heißt es: „Wir halten an den Studienkonten fest.“ In Berlin seien allgemeine Studiengebühren und Langzeitgebühren bis 2006 ausgeschlossen, betont der Sprecher der Wissenschaftsverwaltung.

Die Hochschulrektorenkonferenz dagegen hält Studiengebühren von 500 Euro pro Semester für eine „sozial verträgliche Einstiegssumme“. HRK-Generalsekretärin Christiane Ebel-Gabriel forderte aber auch eine weitgehende Autonomie der Hochschulen. Sie sollten selber entscheiden können, ob und in welcher Höhe sie Studiengebühren erheben.

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