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Gesundheit: Erste Schnappschüsse vom Film des Lebens

Mit den Eiweißen, sagt Giulio Superti-Furga, ist es wie mit den Menschen: Manche lieben One-Night-Stands, andere schließen Ehen miteinander. Der italienische Bioforscher vom Europäischen Molekularbiologie-Laboratorium in Heidelberg weiß, wovon er spricht.

Mit den Eiweißen, sagt Giulio Superti-Furga, ist es wie mit den Menschen: Manche lieben One-Night-Stands, andere schließen Ehen miteinander. Der italienische Bioforscher vom Europäischen Molekularbiologie-Laboratorium in Heidelberg weiß, wovon er spricht. Gerade haben er und sein Team eine Aufsehen erregende Studie im Fachblatt "Nature" veröffentlicht, in der sie das soziale Leben der Eiweiße beschreiben - zumindest: einen Teil davon. "Und Eiweiße sind extrem sozial", sagt Superti-Furga.

Das Forschungsgebiet nennt sich "Proteomik". Das Genom war gestern, heute machen sich ganze Netzwerke von Forschergruppen daran, ein noch viel komplexeres Projekt in Angriff zu nehmen: die Beschreibung der Eiweiße. Superti-Furga hat dazu eigens eine Firma namens Cellzome gegründet. Dort arbeiten 38 Protein-Detektive.

Die Gene nämlich sind nur die Bauanleitungen für Eiweiße (Proteine). Und unser Körper besteht im Wesentlichen aus zwei Sachen: Wasser und Eiweiß. Warum ist das Proteom so viel komplexer als das Genom? Während das Genom zeitlebens gleich bleibt, ändert sich das Proteom von Sekunde zu Sekunde. Mehr als das: eine Leberzelle bildet teilweise andere Proteine als eine Nervenzelle. "Das" Proteom gibt es also nicht. Doch es ist möglich, von einem bestimmten Zelltypus einen Schnappschuss des Proteoms zu machen.

Superti-Furga und seine Kollegen haben eine solche Momentaufnahme von der Hefezelle gemacht, die übersichtlicher ist als menschliche Zellen, weil sie nur über 6000 Gene verfügt (menschliche Zellen besitzen rund 35 000 Gene). Zunächst "markierten" sie 600 Gene der Hefezelle. Wurde das Gen abgelesen, bekam das daraus resultierende Protein automatisch eine Markierung. Nun begann das eigentliche Experiment: Wie Menschen in einer Gesellschaft, gingen die Proteine ihrem gesellschaftlichen Leben in der Zelle nach. Was die Forscher dann taten, war zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Hilfe einer Reinigung die markierten Proteine aus der Zelle zu fischen.

Das Ergebnis: Die markierten Proteine kamen nicht allein aus der Reinigung, sondern bei 90 Prozent von ihnen hatten sich andere Proteine an sie gehängt. Im Schnitt bestanden diese Proteinkomplexe aus zwölf Eiweißen. Dabei fand man auch Eiweißtypen, die in mehreren Gruppen vorkommen. "Das heißt, dass diese Gruppen vermutlich etwas miteinander zu tun haben", sagt Superti-Furga. "Man kann sich das wie eine Arbeitsgruppe in der Firma vorstellen." Die zwölf Proteine bilden beispielsweise die Finanzabteilung. Diese wiederum arbeitet hin und wieder mit der Personalabteilung zusammen.

Bislang hat man so nur einen Schnappschuss eines Arbeitstages einer Zelle gesehen. Auch haben die Wissenschaftler nicht alle Arbeiter, sondern nur einen Teil davon beobachtet. Das Ziel ist es freilich, den ganzen Film zu sehen. Davon ist man zwar noch weit entfernt, "aber es ist nicht so kompliziert, wie das Wetter", sagt Peer Bork, einer der Bioinformatiker im Team.

Doch unbekannt ist auch noch, wie die verschiedenen Proteine überhaupt zueinander finden, warum manche Ehen bevorzugen, also lange zusammenbleiben, während andere sich schnell wieder trennen. An der Wichtigkeit aber, den Film des Lebens zu verstehen, zweifelt keiner: so gehen auch fast alle unsere Krankheiten auf Eiweißstörungen zurück.

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