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Gesundheit: Erwählt, um Wahlen zu entscheiden Die US-Fundamentalisten

Sie wähnen sich am Vorabend eines apokalyptischen Endkampfes zwischen Gut und Böse. Die Bibel nehmen sie wortwörtlich und „Jesus“ ist ihre Antwort auf alle Fragen.

Sie wähnen sich am Vorabend eines apokalyptischen Endkampfes zwischen Gut und Böse. Die Bibel nehmen sie wortwörtlich und „Jesus“ ist ihre Antwort auf alle Fragen. Statt der Evolutionstheorie wollen sie den biblischen Schöpfungsmythos als wissenschaftliche Erklärung über die Anfänge der Welt auf den Lehrplan der Schulen setzen. Sie eifern gegen Abtreibung, Aufklärungsunterricht oder Homosexualität und propagieren die Jungfrauen-Ehe. Die Weltsicht der fundamentalistischen christlichen Rechten in den USA ist von frappierender Gestrigkeit.

Obwohl nur ein Sechstel der Bevölkerung der Christlichen Rechten zugerechnet wird, ist ihr Einfluss auf die Politik enorm. Die Allianz mit den „Believers“, wie sie sich nennen, kann Wahlen entscheiden: Ohne ihre Stimmen verlor Georg Bush Senior gegen Clinton, mit ihnen gewann Georg Bush Junior gegen Al Gore. Die Bibel-Lobby besetzt jetzt wichtige Posten im Weißen Haus. Sie prägt nicht nur die präsidiale Rhetorik, sondern auch – wie kürzlich bei einer Tagung im Potsdamer Einstein Forum deutlich wurde – Positionen in der Außen und Sicherheitspolitik.

Geistiges Rüstzeug für Lehrer

Der Einfluss der Christlichen Rechten kommt nicht von ungefähr. Seit Mitte der 70er Jahre haben sie sich als Reaktion auf den Wahlsieg von Jimmy Carter unter wechselnden Labels, sei es als „Moral Majority“ oder als „Christian Coalition“, tief in die gesellschaftlichen Strukturen hineingearbeitet. Etwa 150 TV- und 1600 lokale Radiostationen, ein nationaler Satelliten-TV-Sender, zahlreiche Verlage, Zeitschriften und Mailing-Agenturen bilden das Rückgrat ihrer Politik- und Spenden-Kampagnen.

Entwickelt haben sie sich als Netzwerk lokaler grass-roots-Organisationen. Hier beackern sie ein Feld, das die Liberalen brach liegen lassen. Die Vertreter der Christlichen Rechten sitzen in den lokalen und kommunalen Institutionen: In Schul- und Bibliotheksgremien machen sie Druck auf die Lehr- und Buchangebote, sie lancieren Moral- und Familienthemen und machen praktische Hilfsangebote.

Hinzu kommen Think Tanks wie die Heritage Foundation oder das American Enterprise Institute, wo Lehrer, Medienleute und andere Meinungsführer ihr geistiges Rüstzeug erhalten. Entscheidend für den Aufstieg von einer grass-roots-Bewegung zur einer politischen Kraft war die Öffnung zum konservativen Mainstream, zu den Neokonservativen und schließlich die Wahl-Allianz mit der Republikanischen Partei. Dennoch, so die Einschätzung des Politologen Mark J. Rozell, hat die Bewegung der Christlichen Rechten ihre Grenzen: In der multikulturellen US-Gesellschaft ist ein religiös begründeter Moralkodex nicht durchsetzbar. Ihre Perspektive bleibt beschränkt auf die einer hochorganisierten Pressure- und Lobby-Gruppe.

Gerwin Klinger

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