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Gesundheit: FH Lausitz: Die Probleme der Region immer vor Augen

Der Druck auf die Oderdämme steigt: Die natürlichen Uferzonen der Zuflüsse sind dem Beton zum Opfer gefallen, Überflutungsflächen schwinden, jeder Regenschauer lässt die Pegel schwellen, nur die Deiche bieten Schutz. Das weiß man seit der letzten großen Überschwemmung der Oder im Juli 1997.

Der Druck auf die Oderdämme steigt: Die natürlichen Uferzonen der Zuflüsse sind dem Beton zum Opfer gefallen, Überflutungsflächen schwinden, jeder Regenschauer lässt die Pegel schwellen, nur die Deiche bieten Schutz. Das weiß man seit der letzten großen Überschwemmung der Oder im Juli 1997. Kein Wunder, dass sich die Lausitzer Fachhochschule in Senftenberg und Cottbus dieses Problems annimmt. "Wir untersuchen, ob die Deiche auch für künftige Wassermassen ausreichen und fest genug sind", erläutert Armin Proporowitz, Experte für Bauwirtschaft an der Fachhochschule. "Wir bieten alles rund um den Bau, vor allem für eine Karriere in den kleinen Betrieben der Region."

Auf 16 Professoren im Bauingenieurwesen kommen dort nur 430 Studenten, davon ein Viertel junge Frauen. Sie lernen auch, die Maurerkelle zu schwingen, Einfamilienhäuser fachgerecht aus dem Boden zu stampfen und einen Baubetrieb zu leiten. Doch mit den Studenten verhält es sich wie mit der Oder: Wenn der Druck steigt, suchen sie sich einen anderen Weg. Viele junge Leute aus der Lausitz sehen in ihrer Heimat kaum eine berufliche Chance. Sie studieren in Berlin oder Dresden oder wenden sich nach Westdeutschland. "Die kommen doch nie wieder zurück", meint Brigitte Klotz, die Präsidentin der Fachhochschule. "Wir müssen unsere jungen Leute hier ausbilden und beschäftigen."

Vor zehn Jahren wurde die Fachhochschule Lausitz gegründet: Sie sollte Motor für eine ausblutende Region sein. Heute hat sie 2800 Studenten, von denen 80 Prozent direkt aus der näheren Umgebung stammen. In der Lausitz leben 800 000 Menschen, etwa ein Drittel aller Brandenburger. Die Fachhochschule, die hauptsächlich in Senftenberg residiert und einen kleinen Campus in Cottbus unterhält, hat die Probleme der Lausitz täglich vor Augen.

Unmut und Kriminalität

Angehende Architekten entwerfen Pläne zur Neugestaltung des Cottbuser Stadtteils Sachsendorf. Dort verfällt die fünftgrößte Plattenbausiedlung in Ostdeutschland, rund 30 Prozent der Betonburgen stehen leer. Wer Geld und Arbeit hat, zieht weg. Im Wahlkreis von Ministerpräsident Manfred Stolpe grassieren Unmut und Kriminalität.

"Unsere Studenten haben zahlreiche Ideen, wie man Sachsendorf für neue Mietergruppen öffnen kann", berichtet Ralf-Rüdiger Sommer, der bis 1995 die Fachrichtung Architektur an der FH aufbaute und sich jetzt städtischen Problemquartieren zuwendet. Gemeinsam mit Architekten aus Sevilla, Venedig und Breslau entsteht derzeit ein völlig neues Konzept für die Sachsendorfer "Platte". "Da ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, bei den Wohnungsbaugesellschaften und beim Land, denn der Umbau kostet Geld", meint Sommer. "Aber wir sind optimistisch, dass wir Gehör finden." Bald könnte eine neue Eissporthalle entstehen, die Studenten planen zudem großzügige Durchbrüche zu den Innenhöfen. Da die Fachhochschule im Semester 150 Versorgungstechniker ausbildet, sind viele Entwürfe bis hin zur Heizungsanlage oder Solarzellen auf dem Dach durchgeplant. Der Fachbereich Bau hat gerade in Sachsendorf ein neues Laborgebäude erhalten und ist in frühere Kasernen der Roten Armee gezogen.

In Senftenberg hat die Fachhochschule den Maschinenbau, die Elektrotechnik und die Betriebswirtschaft konzentriert. Dort befand sich früher eine Ingenieurschule für den Braunkohlebergbau und die DDR-Kraftwerke. Mit Blick auf BASF in Schwarzheide entstand der Studiengang Chemieingenieurwesen - in Senftenberg werden auch angewandte Informatik, Produktionstechnik und Umwelttechnik gelehrt. Doch auch bei diesen Technikfächern ist Umweltschutz ein zentrales Thema. Weite Teile der Lausitzer Braunkohlegruben gleichen Wüsten.

Anlaufstelle für Jugendliche

Die hohe Arbeitslosigkeit lässt den Frust weiter grassieren. In den Plattenbausiedlungen geht die Kriminalität um, auch in ländlichen Regionen verschärft sich der Unmut. "In jüngster Zeit wenden sich sogar die Kinder so genannter gutbürgerlicher Eltern mehr und mehr rechten Gedanken zu", beobachtete die Psychologin Erika Kraszon-Gasiorek, die junge Sozialarbeiter ausbildet. Gemeinsam mit Jugendrichtern und Rechtsanwälten treibt sie das Projekt "Jugendrechtshaus" in Cottbus voran, als Anlaufpunkt für junge Menschen, die auf die schiefe Bahn gerieten und die Orientierung verlieren könnten.

Mit Hilfe ihrer Studenten richtet sie Kurse aus, in denen junge Straftäter über ihre Taten, die Folgen und ihre Zukunft neu nachdenken sollen. "Das ist eine freiwillige Maßnahme, die ein Straftäter zwischen der Verhaftung durch die Polizei und die Verhandlung vor dem Richter besuchen kann", erklärt sie. "In den Kursen sitzen zwischen sechs und zwölf junge Leute, die sich gegenseitig zum Reden bringen. Die Sprachlosigkeit zu überwinden, das ist das Wichtigste." Der Erfolg lässt sich sehen: Jugendrichter bewerten das soziale Engagement der jungen Sozialarbeiter und ihrer Dozentin als wichtige Chance, Verfehlungen mit anderen Mitteln zu ahnden als mit der Härte des Gesetzes. So verbringen die jugendlichen Gangster manchen Nachmittag damit, Spielplätze oder Kitas zu renovieren.

Heiko Schwarzburger

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