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Gesundheit: Förderungsdauer von Nafög-Stipendien auf ein Jahr verkürzt

Die Berliner Wissenschaftsverwaltung hat ein neues Verfahren für die Vergabe von Nachwuchsförderungs-Stipendien (Nafög) an den künstlerischen Hochschulen beschlossen. Sie reagiert damit auf im Dezember bekannt gewordene Vorwürfe, bisherige Kommissionen hätten jahrelang massiv eigene Schüler begünstigt.

Die Berliner Wissenschaftsverwaltung hat ein neues Verfahren für die Vergabe von Nachwuchsförderungs-Stipendien (Nafög) an den künstlerischen Hochschulen beschlossen. Sie reagiert damit auf im Dezember bekannt gewordene Vorwürfe, bisherige Kommissionen hätten jahrelang massiv eigene Schüler begünstigt. Der neuen Kommission sollen je zwei externe Berliner Künstler der Sparten Bildende Kunst, Musik, Darstellende Kunst und Gestaltung sowie die Leiter der vier künstlerischen Hochschulen angehören. Die Künstler sollen gemeinsam von den vier Berliner Kunsthochschulen vorgeschlagen werden. Bislang saßen vier Professoren der Hochschule der Künste (HdK) und zwei Professoren der anderen drei Berliner Kunsthochschulen in der Kommission. Außerdem einigten sich die Hochschulleiter und die Verwaltung darauf, dass die Förderungsdauer für Kunststipendiaten in Zukunft auf ein Jahr begrenzt werden soll. Diese Zeit reiche für die Umsetzung künstlerischer Vorhaben, und doppelt so viele Stipendiaten kämen dadurch in den Genuss der Stipendien. Senatorin Christa Thoben ließ verlauten, nun sei "sichergestellt, dass die Objektivität der Kommission nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann".

Die Wissenschaftssenatorin hat die Reformvorschläge von HdK-Präsident Lothar Romain bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt. Romain hatte gehofft, dass die Auswahl der Stipendiaten weiter im wesentlichen in den Händen der Professoren bleibt. Die Kritikerin des bisherigen Verfahrens, Sabine Nolden, die ihre Bewerbung im Dezember aus Protest gegen das Verfahren öffentlich zurückgezogen hatte und damit den Stein ins Rollen brachte, sieht ihre Forderungen trotzdem noch lange nicht erfüllt: "Man hätte den Hochschulen das Vorschlagsrecht für die Künstler entziehen müssen", sagte sie. "Nachher können die jetzt noch verdeckter klüngeln." Unmittelbar nach Noldens Rückzug aus dem Verfahren war ein Jury-Mitglied von der Kunsthochschule Weißensee, die Professorin Inge Mahn, zurückgetreten, weil sie Noldens Vorwürfe bestätigt sah. Gleich darauf verhängte die Wissenschaftsverwaltung eine Sperre über die Nafög-Mittel der HdK.

Präsident Romain hatte in der vergangenen Woche dem Akademischen Senat seiner Hochschule eine Übersicht über die Stipendiaten, Klassenlehrer und Kommissionsmitglieder präsentiert. Romains Ansicht nach lassen sich aus den Zahlen "keine Fehlleistungen der Kommission" erkennen. Seit 1993 seien "nur 32 Prozent" der Geförderten Schüler von Kommissionsmitgliedern gewesen. Im Akademischen Senat schlossen sich die Professoren Romains Interpretation an.

Doch dürfte die Quote der von Jury-Mitgliedern begünstigten Schüler in Wahrheit höher gewesen sein. Denn nicht mitgezählt hat der Präsident alle Stipendiaten, die unmittelbar vor der Bewerbung von ihrem in der Kommission sitzenden Lehrer zu anderen Dozenten wechselten. Die Kritikerin Nolden glaubt, dass eine Reihe von Bewerbern unter falscher Flagge segelte, um die Bevorzugung zu vertuschen. Auf den Listen des Präsidenten sind die ehemaligen Lehrer in Klammern hinter den Namen der Stipendiaten aufgeführt. Würde man alle Wechsler hinzuzählen, käme man bereits auf 44 Prozent von Stipendien, die an Schüler von Kommissionsmitgliedern gegangen sind.

Bei den meisten Wechslern handelt es sich um Studenten der Professorin Katharina Sieverding. Während ihrer Amtszeit in der Kommission vom Dezember 1993 bis Juni 1995 erhielten sieben Bewerber Nafög-Stipendien, die vorher in ihrer Klasse studiert hatten. So gesehen hat kein Professor aus der Nafög-Kommission mehr erfolgreiche Schüler gehabt als Katharina Sieverding: Insgesamt neun ihrer Schüler erhielten in den vier Vergaberunden während ihrer Amtszeit in der Jury ein Stipendium. In den folgenden Jahren, in denen Sieverding der Kommission nicht mehr angehörte, gab es keinen Sieverding-Stipendiaten mehr, der vor der Bewerbung von ihr zu einem anderen Betreuer wechselte. Auch sank die Erfolgsquote ihrer Studenten drastisch: In den acht folgenden Runden bekamen nur noch drei Sieverding-Kandidaten das Stipendium.

Den Rang haben Sieverdings Leuten besonders die Schüler der international bekannten Künstlerin Rebecca Horn abgelaufen, die nach Sieverding in die Kommission gewählt wurde. In vier Runden setzten sich sechs ihrer Studenten durch. Wieder hing der Erfolg offenbar von der Anwesenheit der Professorin in der Kommission ab: Kein einziger Student Horns bekam ein Stipendium in den sieben Runden vor und in der bisher einzigen Runde nach Horns Amtszeit, vermerken Romains Listen. Weder Horn noch Sieverding wollten sich gegenüber dem Tagesspiegel zu den Vorgängen äußern. Alle anderen Professoren hatten während ihrer Zeit in der Kommission jeweils zwei, einen oder gar keinen erfolgreichen Schüler.

Trotzdem gibt es in Romains Listen, die zwölf Vergaberunden dokumentieren, nicht eine Runde, in der kein oder nur ein Stipendium an Schüler von Kommissionsmitgliedern ging. In sieben Runden vergaben die Lehrer je zwei von sechs Stipendien, also ein Drittel, an ihre Studierenden. In zwei Runden waren es jeweils 50 Prozent. In zwei weiteren Runden gingen vier Stipendien (67 Prozent) an Schüler von Professoren in der Kommission. Die schlechtesten Chancen hatten Bewerber, deren Lehrer nicht in der Jury saßen, im Juni 1995: Damals gingen fünf von sechs Stipendien, also 83 Prozent, an Schüler von Jury-Mitgliedern. Durchschnittlich bewerben sich etwa 50 Studierende von 25 Professoren. Das Verfahren an den Unis stand nicht in der Kritik, entsprechend ändert sich hier auch nichts.

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