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Gesundheit: Forscher auf der Flucht

Deutsche Wissenschaftler verlassen den Libanon

Der Krieg im Libanon hat auch deutsche Wissenschaftler zur Flucht gezwungen. Inzwischen ist die Forschung der internationalen Institute im Libanon weitgehend zum Erliegen gekommen. Nach der anfänglichen Hoffnung, schon nach der Urlaubszeit im Sommer wieder zurückkehren zu können, fürchten viele ausländische Forscher jetzt, dass sie ihre Arbeiten nicht mehr zu Ende führen können.

Alle deutschen Mitarbeiter des Orient-Instituts Beirut (OIB) haben das Land verlassen. Jetzt wird das OIB notdürftig von zwei einheimischen Mitarbeitern verwaltet. In der vergangenen Woche stellte auch das Deutsche Archäologische Institut (DAI) seine Arbeit im Libanon wegen der anhaltenden Kämpfe zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen komplett ein. Betroffen ist das römische Heiligtum Baalbek. Die berühmten Tempelruinen, Weltkulturerbe und Wahrzeichen Libanons, liegen am Rand der Stadt, einer Hochburg der Hisbollah. Bislang seien glücklicherweise keine Kriegsschäden an den Ruinen entstanden, sagte Margarethe van Ess, wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung in Berlin.

Der Forschungsbetrieb leidet auch in Israel unter den Kämpfen. Archäologen der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität haben Grabungen am See Genezareth abgesagt. Das Unternehmen, an dem auch finnische und Schweizer Wissenschaftler beteiligt sind, sollte am 1. August an einem der wichtigsten Orte für die Frühzeit des biblischen Israel beginnen, sagte Wolfgang Zwickel, Koordinator des Projekts. Die Grabungsstelle liegt im Grenzgebiet Israels zum Libanon. Orte in unmittelbarer Nachbarschaft seien in der letzten Woche von Raketen der Hisbollah beschossen worden, erklärte Zwickel. „Am vergangenen Sonntag haben wir die Hoffnung aufgegeben, dass wir in diesem Jahr noch dort graben können“, sagte Zwickel am Dienstag. Dadurch entstehe eine Ausbildungslücke für die Archäologiestudenten und ein Schaden für das Institut von mehr als 5000 Euro. Inzwischen seien auch alle anderen Grabungen nördlich von Haifa eingestellt worden.

Der Krieg wirft nicht nur die Forschung in beiden Ländern zurück. Auch persönlich trifft er deutsche Wissenschaftler hart. Christian Saßmannshausen, Doktorand am OIB, fürchtet, dass er seine Promotionsarbeit aufgeben muss oder sich die Arbeit zumindest verzögert. Seit anderthalb Jahren hatte der 32-Jährige nach dem Islamistik-Studium an der Freien Universität Berlin (FU) in Damaskus Material gesammelt. Er befragte Familien in Beirut und Tripoli, um zu erforschen, inwieweit Bildungsgrad, Vermögen, Herkunft und andere Faktoren soziale Abgrenzung bewirken. „Viele Familien sind geflohen und der Krieg hat die Menschen misstrauisch gemacht“, sagt Saßmannshausen. „Das wird die Arbeit sehr schwierig machen.“

Sein Kollege Stefan Weber (38) lebte schon seit zehn Jahren in der Region, als der Krieg mit Israel ausbrach. Erst arbeitete der Islamwissenschaftler fünf Jahre lang am Archäologischen Institut in Damaskus; seit weiteren fünf Jahren ist er am OIB. „Ich habe alles in Beirut zurückgelassen und bin mit Koffer und Laptop nach Deutschland geflogen“, erzählt Weber. Er ist bestürzt darüber, dass der Krieg den Aufbau des Landes nach dem Bürgerkrieg jetzt zunichte macht.

Christian Saßmannshausen hat eine Petition mitverfasst, in der Wissenschaftler die Bundesregierung auffordern, für einen sofortigen Waffenstillstand einzutreten. Auch der Islamwissenschaftler Stephan Rosiny von der FU setzt sich gegen den Krieg ein: Er hat einen offenen Brief an Angela Merkel geschrieben, nachdem sein 11-jähriger Sohn bei einem Besuch libanesischer Verwandter in Nabatije knapp einem Bombenangriff entgangen war. „Die Bomben waren nur wenige Meter neben dem Haus eingeschlagen“, berichtet Rosiny. Ob und wann die deutschen Forscher ihre Verwandten und Freunde im Libanon wiedersehen und ob sie ihre Arbeit vor Ort wieder aufnehmen können, bleibt ungewiss. „Der Krieg wird das Land und auch die Wissenschaft um Jahre zurückwerfen“, sagen die Wissenschaftler.

Dagny Lüdemann

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