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Gesundheit: Frostiger Blick

Der Umweltsatellit Cryosat startet am Sonnabend. Er soll messen, wie dick das Eis an den Polen noch ist

Auf dem russischen Raketenstartgelände Plessezk ist derzeit viel Betrieb. Es läuft der Countdown für eine europäische Weltraumexpedition in Sachen Klimaforschung. Am kommenden Sonnabend soll „Cryosat“ starten. Der bei der „Eads Astrium“ in Friedrichshafen am Bodensee gebaute Satellit soll mindestens bis 2008 Veränderungen der Eiskappen an Nord- und Südpol messen.

Denn die Eisfläche auf dem Nordpolarmeer schrumpft. Wissenschaftler wie Christian Haas vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven messen immer dünneres Eis zwischen Spitzbergen und dem Nordpol. Musste 1991 noch durchschnittlich zweieinhalb Meter tief ins Eis gebohrt werden, bis man auf Wasser stieß, waren es 2004 nur noch zwei Meter.

Allerdings könnten veränderte Windverhältnisse eine schrumpfende Eisdecke auch nur vortäuschen. Bereits im All kreisende Satelliten wie „Envisat“ oder „Ers“ können die entscheidenden Gebiete nördlich des 82. Breitengrades jedoch nicht erspähen. Obendrein erfassen ihre Radaraugen zwar die Ausdehnung einer Eisfläche, nicht aber deren Dicke.

Diese Lücke soll nun Cryosat schließen. Der Satellit der europäischen Weltraumorganisation Esa soll aus 720 Kilometern Höhe dank zweier Radar-Antennen mit bisher unerreichter Genauigkeit auf die Erde spähen. Mit diesem Stereoblick lässt sich der Abstand zum Eis auf wenige Zentimeter genau bestimmen. Gleichzeitig strahlen Stationen auf der Erde andauernd Signale in Richtung Cryosat, aus deren Laufzeit die Höhe des Satelliten über dem Meeresspiegel genau ermittelt wird. Damit lässt sich die aus dem Meer ragende Eisdicke bestimmen.

Allerdings macht dieser „Freibord“ genannte Teil des Eises nur einen Neuntel der Eisdicke aus. Seine Größe hängt stark vom Eis, aber auch vom Salzgehalt des Wassers ab. Enthält das Eis zum Beispiel viele Luftbläschen oder liegt eine dicke, aber relativ leichte Schneeschicht über einer Scholle, ist die Dichte der Scholle geringer und sie ragt höher aus dem Wasser als ein Eisfeld mit wenig Luftbläschen und Schnee.

Um die Ergebnisse des rund 650 Kilogramm schweren Cryosat möglichst gut zu nutzen, müssen sie vor Ort überprüft werden. Allerdings nur an wenigen ausgewählten Stellen, deren Ergebnisse anschließend auf das gesamte Eismeer übertragen werden. Am einfachsten ist es, ein Loch in die Eisscholle zu bohren und die Tiefe des Eises mit einem Metermaß zu bestimmen. Dabei lässt sich gleich die Höhe der Schneedecke und des gesamten Freibords messen.

Diese Methode funktioniert aber nur an Stellen, die Menschen direkt erreichen können. AWI-Forscher Christian Haas setzt daher ein elektromagnetisches Induktionsverfahren ein, das anzeigt, wie gut der Untergrund Strom leitet. Da Meereis praktisch kein Salz enthält, leitet es kaum Strom, während die in Meerwasser gelösten Salze die Elektrizität hervorragend leiten.

Mit dem Induktionsverfahren hat Haas nördlich von Spitzbergen erhebliche Schwankungen der Eisdicke festgestellt. Waren es 1991 und 1996 noch 250 Zentimeter, so ergaben sich 1998 nur noch 220 Zentimeter Eis. Drei Jahre später war die Eisdicke sogar auf 195 Zentimeter geschrumpft, um 2004 wieder auf 200 Zentimeter zu wachsen.

Das Schrumpfen des Eises könnte damit zusammenhängen, dass sich die Luft über der Arktis in den letzten drei Jahrzehnten um durchschnittlich 1,4 Grad Celsius erwärmt hat. Die Eisschmelze auf dem Meer ist seither eine Woche früher. Gleichzeitig strömt vom Nordatlantik immer mehr relativ warmes Wasser in Richtung Nordpol. Dieser Wärmestrom liefert aber nicht genug Energie, um die Abnahme der Eisdicke zu erklären. Eher könnte schon der fallende Luftdruck in hohen Breiten für das Verschwinden des Eises sorgen: Je niedriger der Luftdruck ist, umso stärker blasen die Winde und treiben das Eis weg.

Cryosat soll nun klären, ob und wohin veränderte Winde das Eis im Norden treiben. Auf die Ergebnisse warten schon viele Klimaforscher gespannt. Damit lässt sich genauer erklären, wie der Klimawandel die Strömungen im Nordpolarmeer verändert. Die Satellitendaten können somit zu genaueren Klimaprognosen – besonders für Europa – beitragen.

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