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Gesundheit: Frühgeburt Erde

Unser Planet entstand bereits innerhalb der ersten 30 Millionen Jahre des Sonnensystems

Von Thomas de Padova

Am Anfang war der Staub. Dann kam Mutter Erde, ihn aufzukehren. Sie fegte erst einzelne Körnchen auf und sammelte nach und nach auch größere Gesteinsbrocken und Asteroiden ein. Ihr Bauch wurde dicker. Und bereits 30 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems hatte die Erde beinahe ihre heutige Größe erreicht – ein äußerst kurzer Zeitraum, verglichen mit den 4,6 Milliarden Jahren, die seither verstrichen sind.

Dass die Erde derart rasch aus Zusammenballungen kleiner und großer Himmelskörper heranwuchs, haben Thorsten Kleine und seine Kollegen von der Universität Münster nun herausgefunden. Ihren Messungen zufolge ist auch unser Nachbarplanet Mars doppelt so schnell entstanden wie bisher vermutet. Er bildete sich innerhalb der ersten 13 Millionen Jahre in der Geschichte unseres Sonnensystems.

„Bisher konnte man das Alter unserer Erde nicht präzise datieren“, sagt Kleine. Mit Hilfe einer neuen Messtechnik nahmen die Münsteraner Geologen nun eine Fährte auf, die sie in die Urzeit der Erde zurück führte.

Ein seltenes chemisches Element brachte sie auf die richtige Spur: Hafnium-182. Das weiche Metall ist radioaktiv. Es hat eine Halbwertszeit von neun Millionen Jahren. In dieser Zeit zerfällt die Hälfte der ursprünglich vorhandenen Substanz: Hafnium-182 verwandelt sich in Wolfram-182, ebenfalls ein Metall.

Während Staub, Gestein und Asteroiden zum Teil heftig auf der Erde einschlugen, war sie ein flüssiger Glutball, eine Kugel aus geschmolzenem Gestein. In dieser heißen Phase verteilte sich das Hafnium gleichmäßig über die Erde. Der radioaktive Stoff zerfiel jedoch zu Wolfram, und dieses hatte entschieden andere chemische Eigenschaften.

Das Wolfram vermischte sich nicht homogen mit anderen Materialien, es wanderte ins Innere der Erde. Es sank zusammen mit flüssigem Eisen, Gold und Platin ins Zentrum unseres Planeten. All diese schweren Metalle formten den Erdkern, der sich wenig später vom Erdmantel und der Kruste separierte.

Die chemische Trennung verlief sehr effektiv. Nach Meinung der Experten verschwand alles ursprüngliche Gold der Erde und alles Wolfram in den ersten Jahrmillionen der Erdgeschichte im Erdkern. Und dass wir heute noch Gold in Bergwerken finden, liegt einzig daran, dass Meteorite diese Reichtümer im Laufe der Jahrmilliarden nachgeliefert haben – bis in die Gegenwart. Die Goldgruben wurden erst gefüllt, als die Entstehung des Kerns abgeschlossen und die Kruste der Erde schon erkaltet war.

Die einfallenden Meteoriten brachten auch neues Wolfram zu unserem Planeten. Aber im Vergleich zum Gold und anderen meteoritischen Substanzen registrierte Thorsten Kleine einen deutlichen Überschuss an Wolfram-182. „Wir haben herausgefunden, dass der Erdmantel zusätzliches Wolfram enthält“, sagt Kleine. „Es kann nur aus Hafnium entstanden sein.“

Kern und Mantel trennen sich

Demnach gab es noch etliches Hafnium-182, als sich die Erde schon deutlich abgekühlt und einen Kern gebildet hatte. Die Hafnium-Quelle war noch nicht versiegt. Da sie aber wegen des raschen Zerfalls spätestens nach 60 Millionen Jahren ausgeschöpft gewesen wäre, muss die Entstehung des Erdkerns schneller vor sich gegangen sein.

Aus der genauen Analyse winziger Wolframmengen in Meteoriten und in irdischem Fels ermittelten die Münsteraner Forscher eine überraschend zügige Geburt der Erde: Nach 30 Millionen Jahren war ihr Wachstumsprozess weitgehend vollendet, hatten sich Kern und Mantel separiert. Die Zeit der Kollision mit großen Himmelskörpern war vorbei. Die Meteoriten und Kometen, die seither auf der Erde eingeschlagen sind, haben nur noch ein Prozent zu ihrer Masse beigetragen. Keiner dieser Einschläge ist so heftig gewesen, den gesamten Erdball noch einmal zum Erweichen zu bringen.

Die neuen Erkenntnisse lassen sich auch auf andere Himmelskörper übertragen. Allerdings zunächst nur auf jene, von denen wir Bodenproben besitzen: von Mond, Mars und einigen Kleinplaneten. Mit Ausnahme des Mondgesteins, das die Apollo-Astronauten zur Erde zurückbrachten, handelt es sich dabei um Meteoriten: um Steine, die irgendwann aus der Oberfläche etwa des Mars herausgeschlagen wurden und anschließend zur Erde gelangten. Ihre genaue Herkunft ist inzwischen recht sicher belegt.

Die Gesteinsanalysen zeigten, dass der kleinere Mars seine Entwicklung schon vor der Erde abgeschlossen hatte. Er entstand innerhalb von 13 Millionen Jahren. Das Wachstum des Kleinplaneten Vesta, der seine Bahn zwischen Mars und Jupiter zieht, brach noch zeitiger ab: bereits nach fünf Millionen Jahren.

Je größer ein Himmelskörper ist, desto länger sammelte er einst Gestein aus seiner kosmischen Umgebung auf. Die neuen Daten lassen erstmals eine quantitative Beziehung zwischen der Größe eines Planeten und seiner Entstehungszeit erkennen.

Nur der Mond fällt aus der Reihe. Er hat einen anderen Ursprung und bildete sich mit einem einzigen Donnerschlag, als ein marsgroßer Himmelskörper, Theia, die Erde gegen Ende ihrer Entwicklung traf. Bei dem Zusammenstoß verschmolzen die Kerne Theias und der Proto-Erde miteinander. Der marmorierte Mond formte sich nach kurzer Zeit aus all dem Material, das bei dem Aufprall in den Weltraum hinauskatapultiert wurde und sich in einem Ring um die Erde sammelte.

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