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Gesundheit: Fünf Schweine, fünf Herzen, fünf Lebern, zehn Nieren

Weltweit warten 180 000 Menschen auf ein passendes OrganHartmut Wewetzer Spätestens seit sie am Klonen des Schafes "Dolly" aus der Euterzelle eines erwachsenen Tieres beteiligt war, steht die Biotechnik-Firma PPL Therapeutics im Brennpunkt des Medieninteresses. Nun haben Mitarbeiter von PPL in Blacksburg im US-Bundesstaat Virginia fünf Schweine geklont.

Weltweit warten 180 000 Menschen auf ein passendes OrganHartmut Wewetzer

Spätestens seit sie am Klonen des Schafes "Dolly" aus der Euterzelle eines erwachsenen Tieres beteiligt war, steht die Biotechnik-Firma PPL Therapeutics im Brennpunkt des Medieninteresses. Nun haben Mitarbeiter von PPL in Blacksburg im US-Bundesstaat Virginia fünf Schweine geklont. Diesmal ist es das Stichwort "Xenotransplantation", das die Journalisten erregt. PPL hat angekündigt, Schweine genetisch so zu verändern, dass sie als mögliche Organspender für den Menschen dienen können. "Ein Ende des chronischen Organmangels ist in Sicht", verkündete der PPL-Manager Ron James.

Tatsächlich nimmt die Zahl der Patienten auf Wartelisten für Spenderorgane von Jahr zu Jahr zu. Weltweit ist von 180 000 Menschen die Rede, die auf ein Herz, eine Lunge, eine Leber oder eine Niere warten. Weniger als jeder Dritte bekommt tatsächlich ein Spenderorgan. Dass Organe vom Schwein dem "Tod auf der Warteliste" eines Tages ein Schnippchen schlagen könnten, hoffen viele Betroffene. PPL aber dürfte schwerlich die Mittel haben, hierzu ein eigenes Forschungsprogramm zu beginnen.

Sind also die Ankündigungen von PPL nur Werbung in eigener Sache? Von "einer potenziell nützlichen Technik" spricht Novartis in einer Reaktion auf die geklonten Schweine von PPL. Der Schweizer Pharmakonzern gilt zurzeit als führendes Unternehmen in der Forschung zur Xenotransplantation. Das Unternehmen hat viele Millionen Mark in das Gebiet investiert und 1996 die Firma Imutran im britischen Cambridge erworben. Imutran arbeitet mit genetisch veränderten Schweinen, die eines Tages als Organspender dienen sollen. Wann das der Fall sein wird, darüber macht Imutran keine Angaben. Man unternehme "vorsichtige Schritte" in Richtung Xenotransplantation.

Warum gerade Schweine? Die Organe der Borstentiere haben etwa die gleiche Größe wie ihre Pendants beim Menschen. Schweine gehören nicht zu den gefährdeten Arten und sind leicht zu züchten. Zur Verpflanzung kommen vor allem Herz und Nieren in Frage, die Leber ist eher als Organ zur zeitlichen Überbrückung bis zum Verpflanzen eines menschlichen Spenderorgans im Gespräch. Das hat seinen Grund darin, dass die Leber nicht nur der Entgiftung dient, sondern auch wichtige andere Stoffwechselfunktionen erfüllt und eine regelrechte "Eiweißfabrik" ist - diese Proteine aber sind von Art zu Art verschieden. Wegen dieser Abweichungen kommt auf Dauer wohl nur eine menschliche Leber zur Spende in Frage. Zur Entgiftung bei akutem Leberversagen wurden Schweinelebern bereits etwa am Virchow-Klinikum der Charité eingesetzt.

Embryonale Schweinezellen sind auch schon ins Gehirn Parkinsonkranker eingepflanzt worden. Darüber berichtet ein amerikanisches Forscherteam aus Boston im Fachblatt "Neurology". Hervorgerufen wird die mit Muskelstarre und Zittern einhergehende "Schüttellähmung" durch einen Verlust an Nervenzellen in einem Hirngebiet namens "Corpus striatum". Die Zellen im Corpus striatum bilden den Botenstoff Dopamin. Zwölf Patienten mit fortgeschrittenem Leiden verpflanzten Ärzte Hirngewebe aus Schweineembryonen, das den Mangel an Dopamin ausgleichen sollte. Nach einem Jahr zeigte sich eine gewisse Besserung bei zehn der zwölf Patienten.

Das größte medizinische Problem ist die Abstoßungsreaktion, mit der der menschliche Organismus auf artfremdes Gewebe reagiert. Die Bostoner Forscher gaben einem Teil der Parkinson-Patienten ein Medikament, das die Körperabwehr unterdrückt. Die andere Hälfte der Kranken bekam Schweinezellen eingesetzt, die mit monoklonalen Antikörpern - Eiweißmolekülen der Körperabwehr - vermischt waren. Diese Antikörper waren gegen jene Strukturen auf den Schweinezellen gerichtet, die üblicherweise heftige Abwehrreaktionen des Empfängers auslösen. Offenbar gelang es, mit Hilfe der Antikörper die Schweinezellen gegen das Immunsystem zu tarnen, denn auch bei den so behandelten Patienten traten kaum Nebenwirkungen auf.

Auch die Züchtung genetisch veränderter "transgener" Schweine dient dem Ziel, dem tierischen Organ eine biologische "Tarnkappe" gegen die menschliche Körperabwehr überzustülpen. Wie sich im Tierversuch zeigte, ist zumindest die erste und besonders heftige Angriffswelle des Immunsystems gegen den "Eindringling" mit Hilfe eines menschlichen Gens, das in die Erbinformation des Schweins eingebaut wird, bereits zu beherrschen. Nachdem auch Studien zur Übertragungsgefahr von Schweineviren eher Entwarnung gaben, rückt der Zeitpunkt einer kompletten Organübertragung näher. Im Fachblatt "Lancet" vertrat ein Kommentator die Ansicht, dass die verbleibenden offenen Fragen nicht mehr im Labor, sondern im Krankenhaus - also am Patienten - beantwortet werden müssen.

Eher skeptisch zeigte sich am Mittwoch die Bundesärztekammer, die vor "verfrühter Euphorie" warnte. Bedenken äußerte auch der Berliner Herzchirurg Roland Hetzer, für den statt eines Schweineherzens eher das Kunstherz als Dauerlösung in Frage kommt. Und auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Bundestags veröffentlichte einen sehr kritischen Bericht zur Xenotransplanation. Aber ein deutsches Krankenhaus wird wohl ohnehin nicht der Ort sein, an dem die erste Schweineniere ihren Dienst am Menschen aufnehmen wird.

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