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Gesundheit: Ganz nach oben

Ein 46-jähriger Deutscher bezieht ein Haus im All

Wenn er zum Abendhimmel hinaufschaut, kann er sie manchmal sehen. Sechzehn Mal am Tag umrundet sie die Erde und ist mitunter so hell wie der Stern Sirius, wenn sie das Licht der Sonne in der Dämmerung zurückwirft. Wenn alles gut geht, wird Thomas Reiter in diesem Sommer dort oben sein und aus mehreren hundert Kilometern Höhe aus den Fenstern der Internationalen Raumstation auf die Erde zurückschauen.

Er kennt den Ausblick. Bei seinem ersten Langzeitflug 1995 blieb er 179 Tage an Bord der russischen Raumstation „Mir“. Unter ihm die Erde, mal schwarzblau, dann wieder in anderen Farben, über ihm ein Meer von Sternen und alle anderthalb Stunden ein neuer Sonnenaufgang. Zehn Jahre liegt das nun zurück, die „Mir“ ist längst verglüht. „Man hängt an so einer Station wie an einem eigenen Auto“, sagte Reiter beim endgültigen Abschied von der Raumstation, die er gerne noch einmal besucht hätte.

In diesen Tagen werden die Erinnerungen wieder lebendig. Denn Reiter sieht einem neuen Weltraumflug entgegen: dem längsten seiner Astronauten-Karriere. Sieben Monate wird sich der 46-Jährige in dem neuen, deutlich größeren Weltraumhaus im All aufhalten. Die internationale Gemeinschaft baut die Station seit einigen Jahren Röhre für Röhre in der Erdumlaufbahn zusammen – ein fliegendes Insekt mit Sonnensegeln hoch über den Wolken, dem allerdings immer noch etliche Körpersegmente fehlen.

Thomas Reiter bereitet sich seit vergangenem Sommer in einem Kosmonauten-Trainingszentrum bei Moskau auf die Reise vor. Er hat schon viele Flugprüfungen hinter sich gebracht. Reiter ist als Kind flugbegeisterter Eltern in Neu-Isenburg in der Einflugschneise des Rhein-Main-Flughafens aufgewachsen, hat als Testpilot der Bundeswehr mit dem Alpha-Jet oder dem Tornado ein ums andere Mal die Schallmauer durchbrochen und als erster Ausländer den Führerschein für einen kleinen russischen Raumtransporter, die Sojus-Kapsel, erhalten.

Den Weg zur Internationalen Raumstation (ISS) wird er nun mit einem amerikanischen Space-Shuttle zurücklegen. Nach dem Absturz der „Columbia“ im Februar 2003, bei dem die ganze Besatzung ums Leben kam, soll die US-Raumflotte ihre Transportflüge zur Raumstation im Mai wieder aufnehmen. Schon beim zweiten Shuttle-Flug soll Reiter mit an Bord sein: als erster Europäer, der an einer Langzeitmission auf der ISS teilnimmt.

Wenn alles nach Plan verläuft, wird er seine Turnschuhe und seinen Schlafsack im Juli in einer Nische festzurren und sich vermutlich rasch wieder daran gewöhnen, im russischen Weltraum-Wohnzimmer „Swesda“ eine Dusche in der Schwerelosigkeit zu benutzen. Auf dem Laufband wird er tagtäglich gegen die Rückbildung seiner Muskeln anstrampeln und ansonsten mit Wartung und Ausbau der Station alle Hände voll zu tun haben. Konkretere Ziele der Mission sind noch nicht bekannt.

Aber womöglich wird es auch diesmal wieder einen Ausstieg in den freien Weltraum für ihn geben. Wie damals, als Thomas Reiter in einem Raumanzug so hart wie ein Fahrradschlauch an der Außenwand der „Mir“-Station klebte, um dort draußen ein klein wenig Meteoritenstaub einzusammeln: das „persönliche Highlight“ seines bisherigen Astronautendaseins.

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