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Gesundheit: Gefährliche Warmduscher

Die Erreger der Legionärskrankheit lieben es lau – nur mit Filtern lassen sie sich zuverlässig in Schach halten

Legionäre gaben der Krankheit den Namen – heute sind es eher bettlägerige Patienten, die sich vor den stäbchenförmigen Erregern fürchten müssen. 1976, beim ersten Auftreten der Legionellose während eines Veteranentreffens in Philadelphia, waren es alte Männer mit geschwächtem Immunsystem, die Husten, schweres Fieber und Atembeschwerden bekamen. Mehr als dreißig von ihnen starben an den Folgen der schweren Infektionskrankheit der Lunge.

Faktoren wie Alter und angegriffene Immunabwehr gelten auch heute als besonders riskant, wenn die Bakterien eingeatmet werden. So ist es nicht verwunderlich, dass beim jüngsten Auftreten der Legionärskrankheit in Frankfurt an der Oder alte Menschen betroffen sind, die in einer Klinik lagen. Wie die Erreger den Weg ans Krankenbett fanden, wird derzeit untersucht.

Als Ausgangspunkt lässt sich getrost die Warmwasserversorgung des Bettenhauses vermuten. „Legionellen lieben Wasser“, sagt Henning Rüden, Leiter des Instituts für Hygiene an der Charité. Besonders wohl fühlen sie sich bei Temperaturen zwischen 25 und 50 Grad Celsius. Dann können sie sich explosionsartig vermehren, bis sie zahlreich genug sind, um Infektionen auszulösen. Allerdings schaffen das die Erreger nur, wenn sie tief in die menschliche Lunge gelangen, versteckt in feinsten Wassertröpfchen, die beispielsweise beim Duschen eingeatmet werden. Direkte Übertragung von Mensch zu Mensch kommt dagegen nicht in Frage.

Deshalb gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen für Einrichtungen, in denen viel warmes Wasser erzeugt oder transportiert wird. Infektionsschutzgesetz, Trinkwasser- oder Badebeckenverordnung sollen für nicht infiziertes Wasser sorgen. Auch Arbeitsblätter der Gas- und Wasserinnung sowie Empfehlungen des Umweltbundesamtes für Probennahme und Laboruntersuchungen gehören dazu. Seit 2003 ist die regelmäßige Überprüfung auf Legionellen in Warmwassersystemen öffentlicher Gebäude vorgeschrieben.

„Bei Mängeln muss sofort saniert werden“, sagt Benedikt Schaefer, Biologe am Umweltbundesamt (UBA). In akuten Fällen gibt es eine Schockbehandlung mit chlorhaltigen Desinfektionsmitteln. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn während der Chlorkur kein Wasser entnommen werden muss. Anschließend wird dauerhaft desinfiziert, wobei die maximal mögliche Menge von zwei Milligramm Chlor pro Liter aber erfahrungsgemäß wenig gegen die Legionellen ausrichten kann. Deshalb muss der Kampf gegen die zentrale Schwachstelle der Bakterien gerichtet sein. Das ist ihre Temperaturabhängigkeit. Insbesondere gilt es, den Bereich von 25 bis 50 Grad in den Wasserrohren zu meiden.

Doch das Wasser, das mit genügend hoher Temperatur eingespeist wird, kann auf dem Weg zu Hahn oder Duschkopf wieder abkühlen. Deshalb muss das Wasser gleichmäßig in den Rohren strömen, sagt Schäfer. Legionellen vermehren sich gerne in stehendem oder langsam fließendem Wasser. Regulierventile können einen Ausgleich zwischen dünnen und dicken Rohren schaffen. An selten benutzen oder weit entfernten Wasserentnahmestellen empfiehlt der UBA-Experte den Einbau von Durchlauferhitzern, um den Erregern bei Temperaturen über 60 Grad Celsius den Garaus zu machen.

Amöben als Ruheraum

Ob dabei wirklich alle Bakterien den Hitzetod sterben, bezweifelt der Hygieneexperte Rüden. Die winzigen Legionellen könnten sich in Amöben zurückziehen, und geschützt in diesen verhältnismäßig großen Einzellern das Ende der Hitzeattacke abwarten. Deshalb könne man nicht sicher sein, dass als legionellenfrei getestetes Wasser wirklich völlig frei von diesen Erregern sei. Allerdings dürfte die Menge um so kleiner sein, je heißer das Wasser ist. Zuverlässigen Schutz bieten Rüden zufolge „endständige“ Filter, deren maximal 0,2 Tausendstel Millimeter große Poren den Erregern effektiv den Weg versperren. Nach spätestens sieben Tagen sei die Auswechslung fällig.

Also ließe sich das Problem einfach dadurch lösen, dass vor alle Auslassöffnungen Filter installiert werden? Warum ist dies nicht längst schon in allen Krankenhäusern realisiert? „Es liegt am Geld“, sagt Rüden. Die Installation des Filters schlage mit etwa 100 Euro, der wöchentliche Wechsel mit zehn Euro zu Buche. Hochgerechnet auf alle Wasserleitungen der Charité summiere sich das auf mehr als 400 000 Euro.

Als pragmatische, bezahlbare Lösung bezeichnet es Rüden, wenn der Risikobereich ausreichend geschützt werde. Das beträfe beispielsweise immunschwache Menschen oder Tumorpatienten, die Chemotherapie erhielten. Da ein Nullrisiko nur mit immensen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen möglich wäre, müsse man mit einem gewissen Restrisiko leben.

Rüdens Plädoyer erscheint realistisch, wenn man bedenkt, dass nur etwa ein Viertel der Legionellen-Infektionen im Krankenhaus erworben werden. Im Jahr 2001 registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) 328 nachgewiesene Fälle von Legionärskrankheit. Damit kommen rund vier Erkrankungen auf eine Million Einwohner, der europäische Durchschnitt liegt knapp doppelt so hoch. Allerdings gibt es eine hohe Dunkelziffer; das RKI geht von etwa 6000 Erkrankungen pro Jahr in Deutschland aus. Meist helfen Antibiotika, so dass die Erkrankung als gewöhnliche Lungenentzündung durchgeht. Andernfalls kommt der Verdacht auf Legionellose auf, die Erreger werden untersucht und schließlich identifiziert.

Bei fast genau der Hälfte der 328 gemeldeten Fälle des Jahres 2001 verlief die Lungenentzündung mit schweren Komplikationen. 21 Erkrankte starben, darunter waren 18 Männer. Auch ansonsten erweisen sich die Männer als anfälliger als das weibliche Geschlecht. Warum dies so ist, wissen die Mediziner bis heute nicht.

Mit der Zahl der Reisen kann es nicht zusammenhängen, da sind die Geschlechter in etwa gleich stark vertreten. Ungefähr ein Viertel der Legionellen-Erkrankungen ist der RKI-Statistik zufolge ein unliebsames Urlaubssouvenir. Meist kamen die infizierten Urlauber aus südlichen Ländern, etwa ein Viertel aus der Türkei, knapp 20 Prozent aus Italien und zwölf Prozent aus Spanien. Da diese Länder auch insgesamt die meisten Urlauber aufnehmen, sagt diese Statistik nicht viel über die Hygiene in südlichen Hotels oder Bädern aus. Generell gilt jedoch, dass Reisende auf Fieber oder Husten achten sollten. Die Inkubationszeit für die Krankheit beträgt bis zu zehn Tage.

Paul Janositz

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