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Gesundheit: Geld vom Staat oder Studiengebühren

Bundespräsidnet Roman Herzog hatte in seiner Grundsatzrede vom November 1997 gefordet, die Bildung zu einem Megathema in Deutschland zu machen.Daß auf politischer Ebene sich erst jetzt nach dem Regierungswechsel Änderungen abzeichnen, die der Bildungspolitik wieder einen höheren Stellenwert einräumen, wollen die Bildungsreformer nutzen.

Bundespräsidnet Roman Herzog hatte in seiner Grundsatzrede vom November 1997 gefordet, die Bildung zu einem Megathema in Deutschland zu machen.Daß auf politischer Ebene sich erst jetzt nach dem Regierungswechsel Änderungen abzeichnen, die der Bildungspolitik wieder einen höheren Stellenwert einräumen, wollen die Bildungsreformer nutzen.Sie möchten jetzt, bevor alles in Gesetzen fixiert oder in der Haushaltsverteilung festgeschrieben ist, sich mit konkreten Forderungen zu Wort melden.Diesem Ziel dient das "Berliner Manifest" für eine neue Universitätspolitik, an dem nicht nur die Präsidenten und herausragende Professoren der drei großen Universitäten in der Stadt mitgewirkt haben, sondern auch auswärtige Persönlichkeiten.FU Vizepräsident Peter Gaehtgens überreichte gestern Bundespräsident Roman Herzog im Schloß Bellevue das Manifest.

Staatssekretär Wilhelm Staudacher kündigte auf der anschließenden Pressekonferenz an, daß der Bundespräsident sein Engagement im März 1999 bei einem bundesweiten Bildungskongreß zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung unterstreichen wolle.Staudacher erklärte, zur Überwindung der ständig folgenlosen Bildungsdebatten unter Experten müsse Bildung zu einem großen Thema der Politik in Deutschland werden.Absicht des Bundespräsidenten sei es, mit einer neuen Rede Druck zu machen.

Staudacher reagierte damit auf die beiden provozierendsten Forderungen in dem "Berliner Manifest": die Einführung von Studiengebühren oder zumindest von Bildungsgutscheinen und die Umsetzung einer radikalen Besoldungsreform an den Universitäten und Fachhochschulen.

Die Autoren des "Berliner Manifestes" gehen davon aus, daß die Unterfinanzierung der Hochschulen jährlich bei mindestens sechs Milliarden Mark liegt.Wenn es dabei bleibe, daß der Staat nicht die Hochschulen ausreichend finanzieren könne, dann "bedarf es der Erschließung anderer Finanzierungsquellen.Der Staat muß sich entscheiden, ob er gewillt und in der Lage ist, das Defizit zu beseitigen oder Studiengebühren einzuführen." Alle anderen Wege wie Sponsoring oder Stiftungsmittel könnten lediglich geringfügige Verbesserungen bringen.

Die Forderung nach Einführung von Studiengebühren steht im Gegensatz zur erklärten Politik der rot-grünen Bundesregierung, ein gesetzliches Verbot von Studiengebühren festzuschreiben.Die Experten begründen ihre Forderung damit, daß durch die Versorgung der starken Jahrgänge die Hochschulen eine Überlast tragen müßten.

Selbst wenn der Staat die Hochschulen auch künftig allein aus Steuergeldern finanzieren wolle, sollten die staatlichen Globalzuschüsse "zumindest in Teilen nachfrageorientiert vergeben werden".Im "Berliner Manifest" werden zu diesem Zweck Bildungsgutscheine empfohlen.Durch solche Gutscheine, die der Staat an die Studenten vergibt, könnte deren Position gestärkt werden, weil sie durch die Wahl des Studienortes und bestimmter Fächer unmittelbar Einfluß auf das Budget einer Fakultät hätten.Ein Studiengang würde finanziell besser gestellt, wenn er mehr Studierende anzieht.Die Studenten könnten Signale zur Verbesserung geben, wo Mängel in der Organisation der Lehre liegen und die Nachfrage zurückgeht.In Verbindung mit einer an der Leistung orientierten Besoldung der Professoren würden dadurch Anreize zur Reform geschaffen.

Wenn es zur Einführung von Studiengebühren kommt, dann sollten diese durch Kredite finanziert werden.Voraussetzung sei jedoch, daß Studiengebühren und Kredite keine abschreckende Wirkung auslösten.Deswegen könnte an ein dreisemestriges, gebührenfreies Erststudium gedacht werden und zum anderen an Stipendien für sozial Bedürftige.Außerdem müsse die Rückzahlung der Kredite von der Höhe des Lebenseinkommens abhängig werden.

Unmittelbar verbunden damit ist eine Besoldungsreform.Die Vorschläge im "Berliner Manifest" entsprechen denen, die die Hochschulrektorenkonferenz vor kurzem veröffentlicht hat: Die automatische Besoldungserhöhung für die Professoren durch Alterszuschläge soll abgeschafft werden.Ausgegangen wird künftig von einen Mindestgrundgehalt in Höhe der Besoldungsgruppe C3 an den Universitäten, von C2 an den Fachhochschulen.Alle Zuschläge bis zum Niveau der höchsten Besoldungsgruppe C4 müßten sich danach die Professoren durch besondere Leistungen in Forschung und Lehre oder große Belastungen verdienen.Die Entscheidung über diese Leistungszuschläge soll die Fakultät treffen, und zwar auf der Grundlage jenes Globalbudgets, das künftig den Universitäten zur eigenen Verwaltung durch starke Dekane zugewiesen werden soll.Die Interessenvertretungen der Professoren und die Fakultätentage laufen dagegen Sturm.

In der Hochschulreform spricht sich das "Berliner Manifest" für eine Kompetenzverteilung zwischen den Gremien und den Präsidenten und Dekanen in einer Weise aus, daß wieder persönliche Verantwortung erkennbar wird.Den Gremien wird die Richtlinienentscheidung und die Kontrollkompetenz zugewiesen.Die Präsidenten an der Spitze der Universität und die Dekane an der Spitze der Fachbereiche oder Fakultäten sollen wie amerikanische Deans professionell agieren und ein Weisungsrecht gegenüber den Hochschulangehörigen erhalten.Die Universitäten sollen sich nicht mehr in eine unüberschaubare Zahl von über 20 Fachbereichen gliedern, sondern maximal über acht bis 12 Fakultäten verfügen.

UWE SCHLICHT

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