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Gesundheit: Gen-Chips: Dem Erbgut bei der Arbeit zusehen

Das menschliche Erbgut ist entziffert, eine "Landkarte" unseres Genoms liegt vor. "Jetzt ist es an der Zeit, die biologischen Prozesse umfassend zu betrachten, am besten alle Komponenten gleichzeitig", sagt Eric Lander vom Whitehead Institut für biomedizinische Forschung in Cambridge (Massachusetts, USA).

Das menschliche Erbgut ist entziffert, eine "Landkarte" unseres Genoms liegt vor. "Jetzt ist es an der Zeit, die biologischen Prozesse umfassend zu betrachten, am besten alle Komponenten gleichzeitig", sagt Eric Lander vom Whitehead Institut für biomedizinische Forschung in Cambridge (Massachusetts, USA). Die Technik, die das seit etwa einem Jahrzehnt ermöglicht, arbeitet mit DNS-Mikroarrays, auch "Gen-Chips" genannt.

Für die Herstellung eines Mikroarrays werden im Labor einzelne DNS-Moleküle auf einem "Wafer" befestigt. Diese dünnen Scheiben aus Halbleitermaterial werden normalerweise in der Mikroelektronik für die Chipherstellung eingesetzt. Auf einem etwa einen Quadratzentimeter großen Mikroarray liegt die DNS eines Organismus in rasterförmiger Anordnung vor. Dabei repräsentiert jedes DNS-Molekül ein Gen, dem auf dem Chip eine exakte Koordinatenposition zugeordnet werden kann.

In unseren Zellen liegt die Erbsubstanz DNS doppelsträngig vor; jeder DNS-Strang ist an einen komplementären Partner gebunden. Die Stränge passen zueinander wie die Hälften eines Reißverschlusses. Trägt man kurze, komplementäre DNS-Einzelstränge auf einen Mikroarray auf, so binden diese in gleicher Weise selektiv an die zugehörigen DNS-Abschnitte auf dem Chip.

Von aktiven Genen erstellt die Zelle Abschriften in Form von Boten-RNS (mRNS für "messenger"). Anhand dieser mRNS werden die wichtigen Eiweiße, die Proteine, gebildet. Bei einer Mikroarray-Analyse werden die mRNS-Moleküle aus der Zelle extrahiert und wieder in komplementäre DNS-Fragmente umgeschrieben; dabei versieht man sie mit einem fluoreszierenden Anhängsel. Erst dann wird der Mikroarray mit diesem Gemisch aus komplementärer DNS in Kontakt gebracht - der Reißverschluss wird gewissermaßen geschlossen.

Jedes Gen auf dem Array bindet spezifisch nur eine Art von DNS-Fragmenten, nämlich diejenige, die seiner Abschrift, also der mRNS entspricht. Leuchtende Fluoreszenz-Signale auf dem Array zeigen dann an, welche Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zelle aktiv waren. Diese Mikroarray-Technik ermöglicht es den Wissenschaftlern also, die Aktivitäten eines jeden Gens im Erbgut einer Zelle gleichzeitig zu betrachten - auch wenn die Funktion einiger Gene noch nicht bekannt ist.

Aber auch die DNS-Mikroarrays gewähren den Biologen nur einen begrenzten Einblick in das Zellgeschehen, und der kann durchaus mehrdeutig sein. Denn es ist beispielsweise schwierig, mit diesen Experimenten reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen.

Außerdem müssen die Wissenschaftler berücksichtigen, dass die Arrays die mRNS-Produktion der Zelle überwachen, also die Bildung der Moleküle, die als Schablonen für die Eiweißsynthese dienen. Leider gibt es aber nicht notwendigerweise eine direkte Beziehung zwischen der mRNS- und der Proteinbildung in einer Zelle. Was wirklich zählt, ist die Menge eines Proteins.

Und nicht zuletzt ist nicht unbedingt jedes Gen nur für die Bildung eines bestimmten Eiweißes zuständig; viele Gene codieren mehrere Proteinarten. Generell werden die Proteine, nachdem sie entsprechend dem Muster der mRNS angefertigt wurden, noch chemisch verändert. Vermutlich gibt es mehr als drei Mal so viele Sorten von Proteinen wie Gene in den menschlichen Zellen.

Im Hinblick auf diese Probleme haben einige Biologen begonnen, Arrays zu entwickeln, mit denen sie direkt die Mengen verschiedener Proteine in einer Zelle messen können. Diese Protein-Arrays werden künftig die wichtigsten Werkzeuge der Proteomforschung darstellen. Die Gesamtheit der gebildeten Proteine einer Zelle bezeichnet man in Analogie zum Genom als Proteom. In der Proteomforschung untersuchen Wissenschaftler systematisch die Proteinbildungsmuster verschiedener Zellzustände.

Aber die Proteinbildung einer Zelle ist noch schwieriger zu beobachten als die Genaktivität. Neue methodische Ansätze arbeiten daher mit maßgeschneiderten Antikörpern, die Proteine in einer Zelle erkennen und sich spezifisch an sie binden können. Anschließend setzen sich die Antikörper dann an bestimmten Stellen auf einem Mikrochip fest.

Nach der Genomentschlüsselung ist die Proteomforschung die nächste Grenze für die datenhungrigen Biologen. Ian Humphery-Smith, ein Biochemiker der Universität von Utrecht, sagt daher: "Die Zeit ist reif, um sich auf ein Human-Proteom-Projekt zu stürzen."

Philip Ball

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