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Gesundheit: Gerichtsgutachten: Eklatante Mängel Psychiater üben Selbstkritik

Experten für forensische Psychiatrie gehen mit Kollegen hart ins Gericht: 20 Prozent der Gutachten, die über Sexualstraftäter erstellt werden, haben eklatante Mängel, meinen Jörg Fegert von der Universität Ulm und Detelf Schläfke von der Universitätsklinik Rostock. Sie werteten 156 Gutachten aus Mecklenburg-Vorpommern aus, nehmen aber an, dass sich ihre Ergebnisse auf die gesamte Bundesrepublik übertragen lassen.

Experten für forensische Psychiatrie gehen mit Kollegen hart ins Gericht: 20 Prozent der Gutachten, die über Sexualstraftäter erstellt werden, haben eklatante Mängel, meinen Jörg Fegert von der Universität Ulm und Detelf Schläfke von der Universitätsklinik Rostock. Sie werteten 156 Gutachten aus Mecklenburg-Vorpommern aus, nehmen aber an, dass sich ihre Ergebnisse auf die gesamte Bundesrepublik übertragen lassen.

Bei 18 Prozent der Gutachten, kritisieren die Psychiater, fand sich keine detaillierte Beschreibung von sexueller Entwicklung und Vorgeschichte, bei knapp 38 Prozent umfaßte diese Beschreibung weniger als eine Seite, obwohl es sich um Sexualstraftäter handelte. In etwa der Hälfte der Gutachten entsprach die Diagnose keiner anerkannten, internationalen Klassifikation (z.B. ICD-10 oder DSM-IV). Stattdessen wurden teilweise pauschale, wenig differenzierte Beurteilungen frei formuliert. Zusätzlich aber müsse die Diagnose auch für Laien verständlich erklärt sein, was oft nicht geschehe.

„Bei der Hälfte der Fälle konnten wir nicht nachvollziehen, inwieweit die im Gutachten festgestellte Störung einen Einfluss auf das Verhalten hatte“, bemängeln die Psychiater. Umgekehrt werde gelegentlich ausschliesslich von der Tat auf eine abnorme, psychische Verfassung des Täters zur Tatzeit geschlossen. Auch würden Akten nicht intensiv genug studiert oder Angaben des Untersuchten nicht ausreichend nachgeprüft.

Wie wichtig die Qualität der Gutachten ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Gerichte zu rund 95 Prozent den Empfehlungen des Gutachters folgen.

In Berlin sei es en vogue, dass jeder zweite Angeklagte gleich zu Beginn der Untersuchung angebe, als Kind sexuell missbraucht worden zu sein, sagt Hans-Ludwig Kröber von der Freien Universität Berlin. Man könne solche Angaben glauben oder gar zur vermeintlichen Ursache der Delinquenz machen, oder man könne nach Belegen suchen.

Nicola Siegm, -Schultze

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