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Gesundheit: Gesund altern

Forscher versprechen sich mehr von ausgewogener Ernährung und viel Bewegung als von Hormonpräparaten

Als König David mit 70 Jahren „alt war und wohlbetaget“, suchten seine Diener für ihn eine schöne Jungfrau, die ihn pflegen und sein Bett wärmen sollte. Heute würden die Getreuen dem biblischen Herrscher vielleicht eher Vitaminpräparate und Hormone anbieten. Sie würden mit ihren Bemühungen schon vorbeugend beginnen und dem Herrscher die Pillen als „Anti-Ageing“-Produkte schmackhaft machen.

Auf dem 10. Fortbildungskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie, der Ende letzter Woche in Berlin stattfand, standen die vielfältigen Leiden und besonderen Probleme älterer Patienten im Mittelpunkt. Ganz bewusst widmeten sich die Alters-Mediziner jedoch auch der Prävention und dem gesunden Altern. Statt „Anti-Ageing“ stand „Pro-Ageing“ auf dem Programm. „Wir wollen damit auf die Möglichkeit hinweisen, positiv mit dem eigenen Alter umzugehen, ohne sich dabei auf Krankheiten zu fixieren“, hatte Kongresspräsident Ingo Füsgen schon im Vorfeld erläutert.

Seriöse medizinische Ratschläge zum gesunden Altern unterscheiden sich von den Versprechungen der „Anti-Ageing“-Bewegung, die sich augenblicklich großer Beliebtheit erfreuen. Sie wenden sich nicht nur an gesunde, fitte Menschen im mittleren Lebensalter, die sich ihre Jugend, Leistungsfähigkeit und Attraktivität möglichst lange erhalten wollen.

Wer ältere Patienten aus der Praxis und vom Krankenbett kennt, habe ein umfassenderes Verständnis von Vorbeugung, sagt der Altersmediziner Erich Lang. Der Leiter des Erlanger Carl-Korth-Instituts für Medizinische Interventionsgeriatrie versteht unter „Pro- Ageing“ die Suche nach Wegen, die es auch chronisch Kranken und Älteren erlauben, möglichst lange weitgehend gesund und selbständig zu leben. „Dazu gehört das Akzeptieren des eigenen, natürlichen Alterns, ohne die Würde außer Acht zu lassen.“

Lang beschrieb das Altern allgemein als Abnahme der Anpassungsfähigkeit des Organismus. Teilweise kann man sich dieser Abnahme durch geeignete Maßnahmen aber anpassen: Wer üppige Mahlzeiten nicht mehr so gut verträgt, weil die Bauchspeicheldrüse weniger Enzyme zur Verfügung stellt, kann zum Beispiel seine Essgewohnheiten verändern – möglicherweise mit günstigen Auswirkungen auf Figur und Beweglichkeit.

Aber sollte man die Stoffe, mit denen der alternde Körper zu geizen beginnt und die für sein gutes Funktionieren so wichtig sind, von nun an nicht besser einnehmen? Was liegt näher, als sie zu ersetzen, etwa Wachstumshormone, wo man doch weiß, dass junge Erwachsene, denen sie fehlen, typische Alters-Symptome zeigen?

Der Erlanger Geriater Karl Günther Gassmann beurteilt die hormonellen Hoffnungsträger, unter ihnen auch Melatonin, männliche Geschlechtshormone und das Vor-Hormon DHEA, ausgesprochen skeptisch: Noch kennen wir die Langzeitfolgen nicht, und einige der Substanzen stehen im Verdacht, schlummernde Tumoren zum Wachstum anzuregen. Zudem fehlt den Medizinern auch die Vorstellung darüber, welche Hormonspiegel im Blut nun eigentlich in welchem Alter als „normal“ zu gelten haben. „Bisher gibt es noch keinen Nachweis dafür, dass eine altersabhängige Abnahme der Hormonspiegel die Ursache für das Altern darstellt", resümierte Gassmann.

Der junge Internist Cornel Sieber von der Uni Erlangen-Nürnberg erkennt hier eine „allzu simple und naive Schlussfolgerung der ,Anti-Ageing’-Bewegung. Man argumentiert nach dem Motto: Als wir jung waren, produzierten wir viel davon und waren topfit. Jetzt sind die Werte im Keller und wir sind schlaff. Also müssen wir sie ersetzen“.

Welchen Eingriff in ein komplexes Gefüge das bedeute, werde dabei nicht immer mitbedacht. Auch in der Gentherapie könne man deshalb nicht auf das Herausschneiden einzelner „Altersgene“ bauen. „Ich verspreche mir mehr von der Forschung, die sich mit krankheitsauslösenden Genen beschäftigt und auf sie einwirken will.“

Am meisten versprechen sich die Verfechter des „Pro-Ageing“ allerdings von Eingriffen in den Lebensstil. Dass maßvolle, ausgewogene Ernährung, wenig Alkohol und viel körperliche Bewegung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein gesundes Alter zu erleben, ist inzwischen wissenschaftlich solide untermauert. Es ist allerdings keine spektakuläre Botschaft. Und manchem mag die biblische Methode auf Anhieb mehr behagen.

Adelheid Müller-Lissner

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