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© dpa

Gesundheit: Tief eintauchen

Es sieht so aus, als sei der Sommer doch noch gekommen. Die Zeit fürs Freibad ist endlich da. Doch immer mehr Deutsche begnügen sich mit bloßem Planschen. Dabei ist Schwimmen enorm gesund

Sommer! Das Strandbad Wannsee ist an diesem Vormittag voller Menschen. Die meisten Leute sitzen in ihren Strandkörben oder liegen auf einer Decke im Sand, um die Sonne zu genießen. Doch viele ziehen auch schon ihre Bahnen im Wasser – endlich kann man wieder draußen schwimmen!

Doch der Eindruck täuscht. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) warnt seit Jahren, die Deutschen würden zu einem Volk der Planscher. Immer weniger Menschen können schwimmen – was sich auch in der gefühlt endlosen Vermehrung der Spaßbäder niederschlägt, in denen man eher im Wasser sitzt, als sich darin zu bewegen. In Berlin ist der Anteil der Nicht-Schwimmer mit 26,3 Prozent sogar überdurchschnittlich hoch. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine bisher einzigartige DLRG-Studie, nach der in ganz Deutschland 23,3 Prozent der Menschen gar nicht oder nur schlecht schwimmen können. Bei den Unter-18-Jährigen sind es sogar 33,9 Prozent. Die DLRG fordert deshalb, den Schwimmunterricht in den Schulen früher beginnen zu lassen.

Schwimmen ist wichtig, um im Notfall im Wasser überleben zu können. Aber es ist auch sehr gesund – und vor allem schonend. Deshalb eignet es sich sogar für Ältere, Schwangere und für viele, die unter gesundheitlichen Problemen leiden. „Anders als beim Joggen oder Krafttraining kann man dabei fast nichts falsch machen“, sagt Gerhart Bayer, Sportwissenschaftler an der Humboldt-Universität.

Denn Wasser hat eine beinahe magische Eigenschaft: Es trägt uns, macht uns leichter, fast schwerelos. Verantwortlich dafür ist das physikalische Prinzip des Auftriebs, einer Kraft, die entgegen der Erdanziehung wirkt. Wenn man schwimmt, lastet – anders als bei allen sonstigen Sportarten – das eigene Gewicht nur zu einem kleinen Teil, etwa einem Siebtel, auf den Gelenken und Knochen. Das ist gut für alle, die sich fit halten möchten, aber etwa unter Arthrose leiden oder ein kaputtes Knie haben. Und für dickere Menschen, deren Gelenke beim Joggen durch das hohe Körpergewicht, das dabei ständig auf ihnen lastet, Schaden nehmen können.

„Beim Schwimmen ist jede Bewegung durch den Widerstand des Wassers gehemmt“, sagt Bayer. Das hat den positiven Effekt, dass so gut wie alle Muskeln gefordert sind – und damit gleichmäßig trainiert werden. „Außerdem wird der Widerstand immer größer, je schneller man schwimmt. Dadurch ist das Risiko für Verletzungen, aber auch dafür, den Körper zu überlasten, gering.“

Beim Schwimmen wird man dank dieses Widerstands auch massiert. Und das verbessert nicht nur die Durchblutung der Haut. „Der Druck drängt das Blut von der Peripherie ins Innere, in den Brustraum und zum Herzen, das damit besser versorgt wird“, erklärt Bayer. „Auch die horizontale Lage des Schwimmers ist günstig, weil das Herz so leichter Blut aus den Venen zurückpumpen kann.“ Gleichzeitig muss es wegen des verstärkten Zustroms von Blut „gegendrücken“ und mehr Blut pro Schlag transportieren – ein sanftes Training, durch das sich auf Dauer das Herzvolumen vergrößert.

Wer regelmäßig schwimmen geht, härtet sich auch ab. Der Sprung in (kaltes) Wasser ist eine gute Übung für die Blutgefäße in der Haut, die sich dann zusammenziehen und sich unter Wärmeeinfluss wieder erweitern. „Wahrscheinlich ,lernt’ der Körper so, mit unterschiedliche Temperaturen umzugehen und ist damit weniger anfällig“, sagt Bayer. Und den Atemwegen tut das Schwimmen gut, weil die Luft über der Wasseroberfläche besonders sauber ist.

Dass sich Schwimmen gut zum Abnehmen eignet, stimmt dagegen nur zum Teil. Richtig ist, dass der Stoffwechsel angeregt wird, weil der Körper seine Temperatur konstant halten will und dazu im kühlen Wasser Energie aufwenden muss. „Trotzdem kann man selbst beim Fahrradfahren schneller Pfunde loswerden“, sagt Bayer. Fürs Joggen gilt das erst recht, eben weil ein Läufer das gesamte Gewicht seines Körpers durch die Gegend trägt. Mit den Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhält es sich ähnlich. „Neueste Studien zeigen, dass maßvoller Kraftsport am ehesten geeignet ist, solchen Erkrankungen vorzubeugen“, sagt Bayer. Und auch bei Osteoporose ist Schwimmen nicht optimal, gerade weil es die Knochen entlastet. „Besser ist Joggen – da tritt eine Stoßbelastung auf, die die Knochendichte positiv beeinflusst.“

Für gesunde Menschen ist Schwimmen also vor allem eine gute Ergänzung, etwa zum Kraftsport. Am besten, man geht ins Wasser, nachdem man an der Hantelbank trainiert hat oder ein paar Runden gelaufen ist. Denn: „Der Entspannungseffekt ist beim Schwimmen so groß wie bei keiner anderen Sportart“, sagt Bayer. Zweimal wöchentlich eine halbe Stunde Schwimmen reichen schon, um die Gesundheit zu stärken.

Tabu ist der Sprung ins Wasser, wenn man an einem Infekt leidet. Vermeiden sollte man auch, den Kopf beim Schwimmen aufrecht zu halten, denn das belastet die Nackenmuskulatur. „Gerade Anfänger sollten sich vor dem Schwimmen außerdem dehnen und langsam einschwimmen. Danach gilt: gut abtrocknen und warm anziehen“, sagt Bayer. Auch der alte Rat, nicht mit vollem Magen ins Wasser zu gehen, ist richtig. Denn für die Verdauung braucht der Magen Energie und damit Blut, das aus anderen Teilen des Körpers abgezogen wird, zum Beispiel aus dem Gehirn. Deshalb ist man nach dem Essen körperlich und geistig nicht topfit, das Verletzungsrisiko steigt. Und welche Lage ist am gesündesten? Da möchte sich Sportwissenschaftler Bayer nicht festlegen: „Rückenschwimmen ist gut für die Wirbelsäule, beim Kraulen müssen Schulter- und Armmuskulatur viel leisten, das Gleiche gilt fürs Brustschwimmen, bei dem allerdings das Knie belastet werden kann“, sagt er. „Am besten ist es, die Lage häufiger zu wechseln.“

Wer sich an die Verhaltensregeln hält, kann fast nebenbei etwas für seine Gesundheit tun und Schwimmen als das wahrnehmen, was es vor allem sein sollte: ein fast meditativer Genuss, bei dem man sich ganz auf sich selbst und seine Gedanken konzentrieren kann. Nichts lenkt ab. Oder wie John von Düffel in seinem philosophisch-autobiographischen Essay „Schwimmen“ schreibt: „Beim Schwimmen gibt es nur einen Partner: das Wasser selbst. Es antwortet auf jede Bewegung, auf jeden Atemzug, ganz unmittelbar. Vor dem Wasser kann der Schwimmer nichts verbergen.“

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