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Gesundheit: Glückliche Pioniere

Paare, die sich Familien- und Erwerbsarbeit teilen, sind besonders zufrieden – sagt eine neue Studie

Wie fühlt man sich so als Speerspitze der Zivilisation? Eigentlich ganz normal. Und: erstaunlich zufrieden. Paare, die sich Erwerbs- und Familienarbeit gleichberechtigt teilen, leben zwar oft riskant, denn ihr Arrangement kann zusammenbrechen, sobald ein Kind krank wird. Außerdem sind die Karrierechancen von Frauen und Männern, die sich für Teilzeit entscheiden, geringer als die ihrer Vollzeitkollegen. Aber die „egalitären“ Paare sind, so das Ergebnis einer neuen Studie, mit ihrer Lebenssituation in der Regel glücklich, empfinden sich sogar als privilegiert und stoßen auch in ihrer Umgebung nicht auf Vorbehalte.

Kaum Streitereien

Im Auftrag des hessischen Sozialministeriums haben die Politologin Anneli Rüling und der Soziologe Karsten Kassner 25 solche Paare befragt und festgestellt: Am ehesten findet man Paare, in denen sich beide Partner gleichermaßen für Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung zuständig fühlen, unter Akademikern. „Das Bildungsniveau der Frau ist entscheidend“, sagt Anneli Rüling, die ihre Studie gestern in Berlin vorstellte. Gut qualifizierte Frauen, die so viel verdienen wie ihre Männer oder mehr, halten es eher für selbstverständlich, bald nach der Geburt von Kindern weiterzuarbeiten. Ihre Männer, die zeitweise Elternzeit nehmen und ihre Arbeitszeit reduzieren, haben sich im Haushalt aus der Rolle des „ewigen Praktikanten“ gelöst, machen selbstständig mit und schätzen die Nähe zu ihren Kindern.

Ideologische Grabenkämpfe und Streitereien um die Aufgabenverteilung haben die Forscher bei diesen Paaren kaum gefunden, statt dessen Pragmatismus und „viele neue Selbstverständlichkeiten“. Die Arrangements waren sehr individuell, für manche Paare ist die Teilzeitarbeit beider nur ein Übergangsstadium, andere wollen dauerhaft Teilzeit arbeiten, wieder andere wechseln sich mit Eltern- und Teilzeit ab. Aber für fast alle galt: „Wir waren überrascht, wie zufrieden die Paare waren“, sagt Anneli Rüling.

Die qualitativ ausgerichtete Studie erhebt weder Anspruch auf Repräsentativität noch sagt sie etwas darüber aus, wie viele Paare im Bundesgebiet so leben oder ob ihre Zahl zunimmt. Peter Grottian, Politologe an der Freien Universität Berlin, der die Studie leitete, schätzt die Anzahl dieser Paare auf nur etwa zwei Prozent, denn die Quote von Männern in Eltern- oder Teilzeit ist nach wie vor sehr niedrig. Höher sei das Potenzial von Menschen, die gerne so leben würden: knapp zwanzig Prozent der Paare.

Warum tun sie es dann nicht? Zum Teil aus finanziellen Gründen. Wenn die Frau viel weniger verdient als der Mann, haben „geschlechterdemokratische Modelle“, so Rüling, schlechtere Chancen: Ein Mann, der mit seinem Einkommen die Familie überwiegend ernährt, wird nicht Elternzeit in Anspruch nehmen oder seine Arbeitszeit reduzieren.

Nur für Besserverdienende?

„Es darf aber nicht sein, dass Geschlechterdemokratie nur für finanziell Bessergestellte lebbar ist“, kritisiert Grottian. Er wünscht sich, dass jedes Bundesland 500 junge Paare mit Kindern unter sechs Jahren und reduzierter Arbeitszeit unterstützt – mit monatlich 500 Euro. Außerdem sollen sie sich wöchentlich 15 Stunden Kinderbetreuung einkaufen können – über das von den Kommunen ohnehin angebotene, meist unzureichende Maß hinaus. „Wir sind skeptisch, ob die Programme der Bundesregierung zum Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen tatsächlich greifen werden“, so Grottian.

Häufig wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als ein Problem von Frauen behandelt. Was Rüling, Kassner und Grottian auf wissenschaftlicher Ebene getan haben, nämlich den Blick auch auf den Mann zu richten und Paare mit gleichberechtiger Arbeitsteilung aufzuwerten, das findet sich auf dem populären Buchmarkt in Büchern wie Eva Walitzek-Schmidtkos „Wenn Paare sich Kinder, Küche und Karriere teilen“. Und Trainerinnen wie Anette Frankenberger und Sibylle Nagler-Springmann geben Paaren Tipps, wie sie mit Techniken aus dem Zeit- und Selbstmanagement alles unter einen Hut bringen. Für die Autorinnen sind die egalitären Paare übrigens nicht nur einfach zufriedene Menschen oder, wie Grottian/Rüling sie nennen, Pioniere. Sie sind, so der Titel ihres Buches: „Power-Paare“.

Eva Walitzek-Schmidtko: Wenn Paare sich Kinder, Küche und Karriere teilen. Rororo 2000, 8,90 Euro.

Anette Frankenberger, Sibylle Nagler-Springmann: Power-Paare. Kösel Verlag 2002, 14,95 Euro.

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