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Gesundheit: Grüne Revolution, zweiter Teil

Mehr Nahrungsmittel für immer mehr Menschen, und das auch noch ökologisch verträglich – geht das?

Von Hartmut Wewetzer

Schon den englischen Prediger und Ökonomen Thomas Malthus trieb 1798 ein großes Problem um. Wie kann man die Menschheit künftig ernähren, wenn sie sich in regelmäßigen Abständen verdoppelt, die Nahrungsmittelproduktion aber nur ganz allmählich steigt, wenn überhaupt? Mangelernährung und Hunger drohen.

Noch weiter als Malthus ging der Umweltschützer Paul Ehrlich mit seinem Buch „The Population Bomb“ (1968). Ehrlichs These: „Der Kampf um die Welternährung ist vorbei.“ Schon in den 70er Jahren werde es eine weltweite Hungersnot geben, prophezeite Ehrlich. Hunderte von Millionen Menschen würden verhungern.

Der Biologe irrte. Zwar hat sich die Bevölkerung in den letzten 100 Jahren auf mittlerweile sechs Milliarden Menschen vervierfacht, doch hielt die Nahrungsmittelproduktion mit. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Getreideerträge verdreifacht. Die „Grüne Revolution“ triumphierte: Ertragreichere und anpassungsfähigere Nutzpflanzen, Bewässerung, Düngemittel, Pestizide und bessere Agrartechnik. Heute braucht man 2000 Quadratmeter Agrarfläche, um einen Menschen zu ernähren – zu Malthus’ Zeit waren es noch 20 000. Mehr als ein Viertel der Landfläche der Erde wird landwirtschaftlich genutzt.

Aber kann das so weitergehen? Bis zum Jahr 2050 soll die Weltbevölkerung noch einmal um die Hälfte steigen, der Nahrungsmittelbedarf sich sogar verdoppeln. „Wenn wir keine zweite Grüne Revolution entfachen, mit der wir die Erträge steigern und sie gleichzeitig auf die bisherigen Agrarflächen beschränken, dann werden weitere natürliche Lebensräume zerstört und die Vielfalt der Arten so dezimiert werden, dass sogar die Existenz des Menschen bedroht ist“, schreibt Antony Trewavas, Biologe an der Universität von Edinburgh, im Fachblatt „Nature“ zum Thema „Zukunft der Ernährung“.

In das gleiche Horn bläst der Ökologe David Tilman von der Universität von Minnesota. Die Landwirtschaft der Zukunft müsse „nachhaltig“ sein, also ökologisch verträglich, gleichzeitig aber das Kunststück vollbringen, die Erträge noch zu steigern. Wie kann das gelingen?

Stickstoffverbrauch versiebenfacht

Tilman schlägt in „Nature“ vor, Düngemittel wirksamer einzusetzen. Zwischen 1960 und 1995 versiebenfachte sich der Stickstoffdünger-Verbrauch, der Bedarf an Phosphaten stieg um das 3,5-Fache. Aber nur noch knapp die Hälfte wird von den Pflanzen aufgenommen. Der Rest geht verloren, schädigt Oberflächengewässer, Grundwasser und natürliche Ökosysteme.

Düngemittel werden besser verwertet, wenn sie genau zu dem Zeitpunkt eingesetzt werden, zu dem die Pflanze sie am meisten braucht. Auch der Fruchtwechsel kann den Nutzen steigern, ebenso wie der Anbau von Sorten, die besonders gut Düngemittel aufnehmen, oder von Bodendeckern.

Eine andere Idee wird nicht zuletzt von Bio-Bauern favorisiert, nämlich das Düngen mit Mist oder Pflanzen, etwa Hülsenfrüchten. Auf diese Weise lässt sich so etwas wie ein natürlicher Kreislauf für Stickstoff und Phosphat wiederherstellen. Der Nachteil besteht darin, dass der Stickstoff aus diesen natürlichen Quellen nur allmählich freigegeben wird und ebenfalls in die Umwelt „leckt“.

Bewässerung führte in der Zeit der Grünen Revolution zu deutlichen Ertragssteigerungen. Aber Wasser wird zusehends knapper. Künftig könnten Pflanzen angebaut werden, die Wasser besonders gut nutzen. Oder welche, die Trockenheit besser aushalten – eine der Verheißungen der Biotechnik..

Fruchtwechsel, Bodendecker, Bracheperioden und richtige Düngung gelten als Mittel, um die Bodenerosion aufzuhalten. Ein anderes großes Problem sind Pflanzenschädlinge und -krankheiten sowie unliebsame grüne Konkurrenz auf dem Acker. Das alles umso mehr, als 60 Prozent unserer Ernährung von nur drei Pflanzen abgesichert werden – Weizen, Reis und Mais. Für das evolutionäre Wettrüsten mit Schädlingen oder Konkurrenten ist das eine schmale Basis.

Maissorten in den USA haben nur noch eine „Laufzeit“ von vier Jahren, Insekten werden meist innerhalb von zehn Jahren resistent gegen Gifte, ähnliches gilt für Unkraut. Eine größere Vielfalt der Nutzpflanzen oder der wechselnde Anbau zweier unterschiedlicher Sorten können helfen, Schädlinge in Schach zu halten.

Wenig „nachhaltig“ ist die heutige Massentierhaltung: Anfälligkeit für Krankheiten – siehe Maul- und Klauenseuche oder BSE -, entsprechend hoher Antibiotikaverbrauch (mehr als für Menschen), Luft- und Wasserverschmutzung und Probleme mit den tierischen Hinterlassenschaften. Der Ökologe Tilman schlägt vor, den Mist der Tiere zu kompostieren und als Dünger zu verwerten. Und er plädiert dafür, dass Tierhaltung und Getreideanbau wieder näher zusammenrücken und voneinander profitieren. So, wie es sich über Jahrhunderte bewährt hat.

Höhere Erträge dürfen nicht auf Kosten der Natur gehen. Damit beide Seiten versöhnt werden, schlägt Tilman vor, Agrarsubventionen an jene Landwirte zu verteilen, die ökologisch sinnvoll produzieren. Auch die Verbraucher sollten wissen, was die „wahren“ Kosten tierischer Produkte sind und dafür unter Umständen auch mehr bezahlen. Und schließlich sollte auch die Agrarforschung verstärkt werden. Angesichts der kommenden Herausforderung ein nachvollziehbarer Wunsch.

Mehr im Internet unter:

www.nature.com/nature/food/

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