zum Hauptinhalt

Gesundheit: Guericke!

über den berühmtesten Sohn Magdeburgs Mit Knebelbart und schulterlangem Haar steht Otto von Guericke vor uns. Naturforscher, Ingenieur, Politiker.

über den

berühmtesten Sohn Magdeburgs

Mit Knebelbart und schulterlangem Haar steht Otto von Guericke vor uns. Naturforscher, Ingenieur, Politiker. Geboren vor 400 Jahren in Magdeburg, später daselbst Bürgermeister. Guericke hat nichts Geringeres getan als zu beweisen, dass das Nichts existiert. Und dass es die Welten am Laufen hält.

Dass durfte eigentlich nicht sein. Denn schon die Antike erfüllte die Furcht vor der Leere, lateinisch Horror vacui. Die Natur kenne kein Vakuum, behauptete der Philosoph Aristoteles. Jeder Ort sei mit Stofflichem ausgefüllt. Was Aristoteles sagte, war Gesetz, bis in die Neuzeit hinein.

Und was ist mit dem Weltraum?, fragte Otto von Guericke aus Magdeburg an der Mittelelbe. Wie kann es sein, dass die Planeten scheinbar ewig um die Sonne kreisen, ohne ins Trudeln zu kommen? Auf der Erde kam doch jeder Ball irgendwann zum Stillstand. Der Himmel müsste uns lange auf den Kopf gefallen sein, wenn es das Vakuum nicht gäbe, argumentierte Guericke. Die Leere, das Nichts – eigentlich das Natürlichste von der Welt. Nur das Vakuum im Weltall ermöglicht den reibungslosen Betrieb der Planeten auf ihren Umlaufbahnen.

Zum Beweis seiner Behauptung schuf Guericke die Leere auf Erden. Er erfand die Luftpumpe und saugte mit ihr alles Gas aus zwei metallischen Halbkugeln. Nur der umgebende Luftdruck presste nun die Hemisphären zusammen. Auch wenn an jeder der Halbkugeln acht Pferde zogen, das Vakuum erwies sich als stärker. Aber ein Achtjähriger konnte den ganzen Spuk beenden, indem es ein Ventil öffnete und Luft in die Hälften einströmen einließ. Was für ein großartiges Bild: ein Kind ist imstande, die Luft aus einer scheinbar unumstößlichen Theorie herauszulassen. Die Abscheu der Natur vor der Leere – sie existiert nicht.

Instant-Kaffee, Thermoskannen, Saugnäpfe, Knutschflecke: überall ist, Guericke sei Dank, das Vakuum im Spiel. Auch in der Politik? Wohl mancher ostdeutsche Politiker dürfte Guericke, der ja als Magdeburger Bürgermeister einer der ihren war, um seine Kunst beneiden, so viel aus Nichts zu machen. Andererseits hat Finanzminister Hans Eichel die Botschaft der Leere durchaus verstanden und fiskalische Sauginstrumente konstruiert, um die Portemonnaies und Konten seiner Bürger leerzupumpen.

Nur in die Kultur ist Guericke mit seiner Luftpumpe nicht vorgedrungen. Der Horror vacui ist hier nach wie vor oberstes Gesetz. Die Antike füllte den Himmel mit Göttern, das Christentum mit Heiligen und die Moderne mit Stars und Sternchen aus der Welt der Prominenten. Bloß keine Leere! Lasst uns nicht allein! So sind wir noch immer ein bisschen wie die Menschen zu Guerickes Zeiten. Denn die Künstler des Barock schmückten die Kirchen und Paläste mit Ornamenten und ließen scheinbar jede freie Fläche zuwuchern. Eine Art metaphysische Zwangsneurose, der kein vacuum cleaner (englisch für Staubsauger) gewachsen ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false