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Der Analkanal gehört zu den am stärksten mit Nervenbahnen durchzogenen Bereichen des menschlichen Körpers.

© picture alliance / Arco Images

Hämorrhoiden: Leiden in der Tabuzone

Den meisten Menschen sind Hämorrhoiden peinlich. Dabei kann rechtzeitige Behandlung vor starken Beschwerden und sogar Operationen bewahren. Denn in einem frühen Entwicklungsstadium ist die Erkrankung schmerzfrei zu behandeln. Zu Besuch bei einem Proktologen.

Hintern, Po, Gesäß, verlängerter Rücken – alles Begriffe für einen Körperteil, der die letzte Tabuzone des menschlichen Körpers ist. So zumindest sieht das Horst Loch, Proktologe in Berlin-Charlottenburg. Wenn es im Analbereich brennt und juckt, wenn sich plötzlich Blutspuren am Toilettenpapier zeigen, wenn einen ständig das unangenehme Gefühl plagt, der Darm sei nicht richtig entleert – typische Beschwerden eines Hämorrhoidalleidens –, dann genieren sich Patienten. Zum Spezialisten gehen sie erst, wenn es nicht mehr anders geht. Spezialist, das bedeutet in diesem Falle ein Proktologe, ein Arzt für Enddarmleiden.

Der Leidensdruck kann enorm sein. Denn in diesem Darmabschnitt haben fast alle Erkrankungen etwas mit Schmerzen zu tun. „Der Analkanal ist einer der am stärksten mit Nerven durchzogene Bereiche des menschlichen Körpers“, sagt Horst Loch. „Dort sind mehr Nerven zu finden als zum Beispiel an den Fingerspitzen oder im Mund.“

Die Empfindungen des Patienten, die er wahrnimmt und die ihn zum Arzt treiben, sind deshalb auch ein wichtiges Diagnoseinstrument des Proktologen. Hämorrhoiden zum Beispiel machen sich gleich durch mehrere Symptome bemerkbar. Sie sind die bei Weitem am häufigsten von einem Proktologen zu behandelnde Erkrankung. Eine Volkskrankheit. Dabei sind die Blutgefäßpolster oberhalb des Schließmuskels, die den Enddarm abdichten, krankhaft vergrößert. Ohne diese Polster könnten Stuhlreste durch den faserigen Ring des Schließmuskels austreten und würden ständig die empfindliche Haut reizen. Doch sind diese Polster krankhaft vergrößert, werden sie selbst zum Abdichtungsproblem.

Horst Loch
Horst Loch

© privat

Warum das passiert, ist noch nicht geklärt. Ärzte vermuten, dass erbliche Gründe eine Rolle spielen, aber auch verhaltensbedingte. Wer zum Beispiel durch falsche Ernährung häufig unter Verstopfungen leidet und den Stuhlgang mit starkem Pressen erzwingen will, verstärkt auch die Neigung zu Hämorrhoiden.

Die Erkrankung wird in vier Stadien eingeteilt. Bei der leichtesten Form sind Hämorrhoiden nur schwach vergrößert, bluten manchmal, verursachen aber keine Schmerzen. Im zweiten sind sie deutlich vergrößert, neigen ebenfalls zu Blutungen und erzeugen erste Symptome. Oft lässt sich der Schließmuskel nicht mehr korrekt abdichten. Folge: winzige Kotspuren, die austreten und den charakteristischen Juckreiz verursachen. Im dritten Stadium werden die vergrößerten Aderschwämme beim Stuhlgang mit herausgepresst, lassen sich aber mit dem Finger noch zurückschieben. Im am weitesten fortgeschrittenen vierten Stadium gelingt das nicht mehr. So wie bei Werner Friedrich (Name geändert). Seit Monaten hatte der 62-jährige Charlottenburger Blutspuren am Toilettenpapier bemerkt. Hatte leichte Schmerzen. Irgendwann ging es nicht mehr, und Werner Friedrich kam zu Horst Loch in die Praxis.

Sicherlich können Medikamente, die die Symptome wie Jucken oder Schmerzen lindern, für eine gewisse Zeit helfen. Sie bekämpfen aber die Ursache nicht. Und sind sie erst einmal da, bilden sich Hämorrhoiden nicht mehr von allein zurück. Der Arzt muss also helfen. Dafür benötigt er nicht viel. Die Hauptinstrumente des Proktologen, sagt Loch, seien der Zeigefinger zum Tasten und die Erfahrung im Erkennen der Krankheiten. Etwas mehr technische Unterstützung hat aber auch der erfahrene Arzt: einen kleinen Spreizer zum Öffnen des Schließmuskels und das Proktoskop: Ein zigarrenlanges, raketenförmiges Metallrohr, das sich zum Ende verjüngt. Seitlich befindet sich ein fingerspitzenbreites Loch, darunter ein Spiegel. „Damit können wir den Analbereich gut untersuchen.“ Das Röhrchen ist am spitzen Ende geschlossen. Peinliche Begegnungen mit dem Darminhalt sind also unwahrscheinlich. Das ist ein wichtiger Hinweis für schamhafte Patienten. Manche haben so große Angst, dass der Arzt bei ihnen eine solche „peinliche Begegnung“ haben könnte, dass sie vorher versuchen, mit Abführmitteln oder einer Spülung ihren Enddarm zu entleeren. Doch das sei völlig unnötig, erschwere sogar die Diagnostik, sagt Loch. „Die Patienten sollen zu uns kommen, wie sie sind.“

Hämorrhoiden treten in vier Stadien auf

Werner Friedrich hat Hämorrhoiden im Stadium 2. Die Stadien entscheiden über die Therapie. Am einfachsten und in der Regel schmerzlos ist die Behandlung der ersten beiden Entwicklungsphasen. In Stadium 1 genügt unter Umständen bereits eine Injektion in den vergrößerten Blutschwamm. Das darin enthaltende Medikament führt zu einer Schrumpfung des vergrößerten Gefäßknotens. Ärzte nennen das Verödung. Bis zum Stadium 2 kommt häufig eine sogenannte Ligatur zum Einsatz. Dabei platziert der Arzt über die hervorgestülpten Blutschwämme einen eng sitzenden Gummiring, der die Blutzufuhr abklemmt. Dadurch stirbt das dahinterliegende überflüssige Gewebe ab. Der Ring und das abgestorbene Gewebe fallen nach etwa ein bis zwei Wochen ab und werden normal ausgeschieden. Das Verfahren sei, wenn es richtig angewandt wird, für Patienten beschwerdefrei, sagt Loch. „Dort, wo die Hämorrhoiden sitzen, gibt es keine Nerven, die Schmerzen melden könnten.“

Sind die Hämorrhoiden größer, muss operiert werden. Das treffe bei etwa fünf bis zehn Prozent der Hämorrhoidalleiden in seiner Praxis zu, sagt Loch. Der überflüssige Blutschwamm wird dabei abgeschnitten, die Wunde anschließend mit selbstauflösenden Fäden vernäht. Nebenwirkungen dabei sind die typischen Risiken und Beschwerden einer Operation: Wundheilungsschmerzen, die bis zu einer Woche andauern, eine (trotz der vielen Bakterien in dem Bereich eher minimale) Infektionsgefahr und die Risiken der dafür nötigen Vollnarkose oder Spinalanästhesie in der Lendenwirbelsäule. Bei einer neueren OP-Methode werden die Hämorrhoiden nicht entfernt, sondern in den Analkanal hochgezogen und dort befestigt. „Das soll geringere Schmerzen verursachen – ist aber nicht immer anwendbar“, sagt Loch. Die Operationen sind meist mit einem stationären Aufenthalt verbunden. Auch Loch und sein Kollege operieren in einer Berliner Belegklinik, die stationäre Patienten für ambulante Ärzte betreut.

Mit Hygiene und richtiger Ernährung kann jeder zuhause vorbeugen

Übrigens: Erkrankte und vorsorglich auch Gesunde könnten einiges dafür tun, dass sie nicht unters Messer müssen. Horst Loch nennt das Hausaufgaben. Dazu zählt, durch eine Umstellung der Ernährung dafür zu sorgen, dass der Stuhl eine „wohlgeformte“ Konsistenz erhält, also nicht zu fest, aber auch nicht zu weich. „Viele Ballaststoffe mögen aus Sicht des Ernährungsmediziners gesund sein, sie sind aber aus Sicht des Proktologen nicht immer bekömmlich.“ Denn dadurch entstehe oft ein zu dünner Stuhl, der aggressiv sei und die empfindliche Region reize. Und ein zu fester Stuhl führe dazu, dass der Mensch stark presse, was das Problem Hämorrhoiden verstärke.

Eine andere Hausaufgabe ist die Hygiene am Po – nicht zu wenig tun, aber auch nicht zu viel. „Klares Wasser eignet sich am besten zur Reinigung“, sagt Loch. Papier benötige man wenn überhaupt nur für die grobe Vorreinigung, maximal zwei Mal. „Wer würde sich schon schmutzige Hände nur mit trockenem Papier reinigen?“ Und bitte kein feuchtes Toilettenpapier verwenden, wegen dessen Gehalts an chemischen Reinigungssubstanzen, meint der Facharzt. Wer seine Hausaufgaben macht, muss also vielleicht gar nicht darüber nachdenken, wo genau seine persönliche Schamgrenze beim Arztbesuch verläuft.

Proktologie ist ein Schwerpunkt im „Arztpraxenführer 2013“ des Tagesspiegels. Darin finden Sie Detailinformationen zu vielen Berliner Proktologen und zur Behandlung anderer Leiden im Enddarm. Der Arztpraxenführer kosten 12,80 Euro und ist erhältlich unter Telefon 29 02 15 20 oder im Internet unter www.tagesspiegel.de/shop

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