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Gesundheit: Haus der Berliner Forschung: Ein guter Tag für die deutsche Rheuma-Forschung

In unaufdringlicher Modernität präsentiert sich ein neues Haus der Berliner Forschung dem Passanten, der auf dem Virchow-Weg das traditionsreiche Areal der Charité durchquert. Mit seiner aus Backstein und Glas gegliederten und zurückgesetzten Fassade passt sich das Gebäude des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums und des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie fast bruchlos in das Ensemble der verklinkerten Charité-Institute und -Kliniken ein, die noch aus der wilhelminischen Ära stammen.

In unaufdringlicher Modernität präsentiert sich ein neues Haus der Berliner Forschung dem Passanten, der auf dem Virchow-Weg das traditionsreiche Areal der Charité durchquert. Mit seiner aus Backstein und Glas gegliederten und zurückgesetzten Fassade passt sich das Gebäude des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums und des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie fast bruchlos in das Ensemble der verklinkerten Charité-Institute und -Kliniken ein, die noch aus der wilhelminischen Ära stammen. Eine luftige Eingangshalle verleiht dem Bau Transparenz und Offenheit.

Das 105 Millionen Mark teure Haus mit seinen 8000 Quadratmetern Hauptnutzfläche teilen sich das Max-Planck-Institut zu 70 Prozent und das Rheuma-Forschungszentrum zu 30 Prozent. Von einem "Treibhaus" sprach bei der Einweihung am Donnerstag Andreas Radbruch, Direktor des Rheuma-Forschungszentrums. Vor allem für sein Zentrum war dieser Tag ein besonderer Grund zur Freude, wird doch die Rheumatologie bis heute in Deutschland eher stiefmütterlich behandelt.

Ganze sieben Lehrstühle gibt es. Und das, obwohl etwa jeder Hundertste an rheumatoider Arthritis leidet, dem "klassischen" Gelenkrheuma. Zählt man andere rheumatische Leiden und degenerative Gelenkkrankheiten hinzu, ist sogar jeder Zwanzigste betroffen. Die rheumatoide Arthritis führt schon in den ersten zwei Jahren bei mehr als 70 Prozent der Patienten zu Schäden am Gelenkknorpel; Frühinvalidität, Berentung und weitere Krankheiten sind häufig. Für einen Aufbruch in der deutschen Forschung war es also höchste Zeit.

Vielversprechend ist vor allem die Nähe der Rheumaforscher zu den Charité-Krankenstationen, insbesondere zur Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie. Diese Nähe zwischen "theoretischen" Grundlagenforschern und Praktikern am Krankenbett soll die Entwicklung neuer Behandlungsformen beschleunigen. Denn noch immer sind die Ursachen rheumatischer Leiden kaum geklärt und die Therapieerfolge oftmals unbefriedigend - rheumatoide Arthritis ist bis heute unheilbar. Man darf nun gespannt sein, welche Impulse künftig von den Berliner Rheuma-Fachleuten ausgehen.

Beschwerlicher Weg

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen wies auf den langen und beschwerlichen Weg hin, den das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum seit seiner Gründung 1988 zurückgelegt hat. Als Kind der finanziell noch sorglosen West-Berliner Mauerjahre und als Stiftung des Landes Berlin geriet es in den 90ern in die Wirren der Umbruchjahre und der Sparzwänge. Erst die gemeinsame Bauplanung mit dem auf solidem finanziellen Fundament gegründeten Max-Planck-Institut verschaffte den Rheuma-Forschern eine halbwegs sichere Perspektive.

"Infektionskrankheiten betreffen jedermann", stellte der Hubert Markl, Präsident der Max-Planck-Geselllschaft, fest. Und damit hatte er schon gleich den zwingenden Grund für die Existenzberechtigung des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie an der Hand. Dass es in "Rufweite" des Bundestages steht, ist für Markl auch ein Zeichen für die politische Bedeutung ansteckender Krankheiten. Er erinnerte daran, dass jedes Jahr 14 bis 20 Millionen Menschen an Infektionen sterben, sechs Millionen von ihnen an den drei großen Seuchen Aids, Tuberkulose und Malaria. Aber Infektionen sind für Markl nicht nur eine Gefahr ferner Länder: "Bei der großen Grippe-Epidemie in Europa nach dem Ersten Weltkrieg kamen 20 Millionen Menschen um, mehr als im Krieg selbst."

"Globales Sicherheitsrisiko"

140 Mitarbeiter soll das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie einmal haben. Stefan Kaufmann, Direktor der Abteilung Immunologie, erforscht die Reaktion der Körperabwehr auf Bakterien, die sich in Zellen "verstecken". Kaufmann hofft, seine Erkenntnisse auch in die Entwicklung eines neuen Impfstoffs gegen Tuberkulose einfließen zu lassen. Ermutigt hat Kaufmann, dass der amerikanische Präsident Bill Clinton am 2. März den Startschuss für eine weltweite Initiative zur Entwicklung von Impfstoffen gab. Clinton habe erkannt, dass Seuchen "nicht nur nationale Probleme darstellen, sondern ein globales Sicherheitsrisiko geworden sind".

Kaufmanns Institutskollege ist Thomas Meyer, Direktor der Abteilung Molekulare Biologie. Meyer geht der Frage nach, welche Wechselwirkungen zwischen bakteriellen Krankheitserregern und Wirtsorganismus bestehen. Dabei beschäftigt er sich besonders mit Helicobacter pylori, dem Erreger des Magengeschwürs und des Magenkrebses, sowie mit Chlamydia pneumoniae, einem Bakterium, das mit Herzinfarkt und Schlaganfall in Verbindung gebracht wird.

Auf den ersten Blick haben ansteckende Krankheiten und Rheuma wenig gemein. Aber beide verknüpft ein starkes Band: das menschliche Immunsystem. Joachim Kalden (Universität Erlangen), Nestor der klinischen Immunforschung und Stiftungsratsvorsitzender des Rheuma-Forschungszentrums, illustrierte das mit dem Beispiel des Zeckenstichs: Häufig infiziert sich der Betroffene mit Borrelien. Diese schraubenförmigen Bakterien wiederum führen zu einem falschen Alarm der Körperabwehr, die Freund und Feind verkennt und sich auf körpereigenes Gewebe stürzt - rheumatische Gelenkbeschwerden sind die Folge.

Mikroben können also rheumatische Leiden fördern, und das geschieht über die "Schnittstelle" des Immunsystems. Ein Schwerpunkt der Berliner Rheumaforscher ist deshalb das Studium jener entzündlichen Prozesse, bei denen die Körperabwehr gegen den Körper selbst aggressiv wird und so Rheuma auslöst.

Am Rheuma-Forschungszentrum arbeiten mehr als 80 Mediziner, Biologen, Chemiker und Sozialwissenschaftler in 13 Arbeitsgruppen zusammen. Besonderen Wert legt man auf gemeinsame Forschergruppen mit Ärzten der Charité und des Universitätsklinikums Benjamin Franklin. So hat man gemeinsam mit der Charité Patienten mit schweren rheumatischen Leiden Stammzellen verpflanzt.

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