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Gesundheit: Heute wohnen auch Studierende anderer Fächer im Johanneum, die Theologen sind aber nach wie vor in der Überzahl.

Die letzte Eintragung in die Chronik des Johanneums stammt vom Juli. 130 Jahre nach der Gründung des Wohnheims für Theologiestudenten in Berlin ist es noch immer Brauch, sich beim Auszug in dem in Leder gebundenen Buch zu verewigen.

Die letzte Eintragung in die Chronik des Johanneums stammt vom Juli. 130 Jahre nach der Gründung des Wohnheims für Theologiestudenten in Berlin ist es noch immer Brauch, sich beim Auszug in dem in Leder gebundenen Buch zu verewigen. Im Jahr 1869 richtete der schlesische Graf Sedlnitzky von Choltitz das Heim für angehende Pfarrer ein. Er wollte den Studenten, die sonst "weit zerstreut in der großen geräuschvollen Stadt" leben müssten, "in der Nähe der Universität Wohnungen anbieten", sagte er in seiner Einweihungsrede.

Heute wohnen auch Studierende anderer Fächer im Johanneum, die Theologen sind aber nach wie vor in der Überzahl. Außerdem sind die Hälfte der Bewohner Frauen. Genau genommen ist auch das rote Ziegelgebäude in der Tucholskystraße nicht das vom Stifter gekaufte Haus. Dieses musste um die Jahrhundertwende einem S-Bahn-Tunnel weichen und wurde einige Meter versetzt wieder aufgebaut. Es liegt aber weiterhin zentral - kein anderes Wohnheim liegt so nahe an der Humboldt-Universität.

Tradition haben im Johanneum auch Übersetzungs- und Lerngruppen sowie gemeinsame Andachten. Sie seien heute aber nicht mehr verpflichtend, versichert Helmut Kautz, seit 1998 Leiter des Wohnheims. Viele bekannte Theologen wohnten im Johanneum, ihre Namen sind in der Chronik rot angestrichen, so etwa der Kirchenhistoriker Carl Holl oder der Alttestamentler Walter Zimmerli. Auch einige der aktuellen Dozenten der HU hatten hier ihre Studentenbude. Traditionen werden im Theologenstift aber auch in ganz profanen Bereichen gepflegt: Das Toilettenpapier werde seit der Nachkriegszeit bei "Evchens Seifenladen" am Ende der Straße gekauft.

Auch der Geldmangel der Stiftung Johanneum ist nicht neu. Seit der Weltwirtschaftskrise war eigentlich immer Ebbe in der Kasse, nach der Wende drohte gar die Schließung des Hauses. Doch irgendwie gelang der Übergang zu einer selbstständigen Finanzierung. Von der Berlin-Brandenburgischen Kirche komme zwar keine finanzielle, dafür aber "moralische" Unterstützung, sagt Kautz: Kürzlich gab es neue Gesangbücher. Die alten Bücher haben aufeinandergestapelt neue Verwendung als Tischbeine gefunden. Immerhin wurde durch ein Denkmalschutzprogramm des Landes Berlin die Sanierung der Fassade möglich. Doch im Treppenhaus blättert der Putz. Von Luxus kann im Johanneum wahrlich nicht die Rede sein. Drei Duschen gibt es für alle, keine Küche, nur provisorische Kochgelegenheiten auf den Fluren. Geheizt wird noch mit Kohlen. "Eine Mutter hat fast geheult, als sie sah, wo ihre Tochter einzieht", sagt Kautz und grinst. Doch den Bewohnern gefällt gerade der "morbide Charme", wie Andrea meint. Die 19-jährige Theologiestudentin mag, "dass alles so alt ist". Man wohne hier zentral und günstig mit Mieten zwischen 160 und 270 Mark monatlich. Sie kann verstehen, was ein Student in die Chronik schrieb: Trotz "Schimmel im Zimmer" gehe er "tränenden Herzens".

Barbara Wilhelm

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