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Gesundheit: Hochschule der Künste: "Eine Herde von Neidhammeln"

Zuerst bekommt man einen Schreck. Neun Leute auf dem Podium, die über die zukünftige Rolle der Kunsthochschule diskutieren wollen!

Zuerst bekommt man einen Schreck. Neun Leute auf dem Podium, die über die zukünftige Rolle der Kunsthochschule diskutieren wollen! Im Foyer der Berliner Hochschule der Künste (HdK) sitzen Katharina Sieverding und Christiane Möbus, beide Künstlerinnen und Professorinnen an der HdK, fünf Nachwuchskünstler, der Dekan der Fakultät Bildende Kunst, Burkhard Held, sowie HdK-Präsident Lothar Romain. Und der wird gleich unter Beschuss genommen.

Birgitta Wehner vom AStA der HdK beklagt, dass die "Freien Klassen" mit einer Lehre unter studentischer Selbstverwaltung in Zukunft nicht weiter angeboten werden. Katharina Sieverding fragt den Präsidenten mit Groll in der Stimme, "warum es keine Möglichkeit gibt, Unabhängigkeit von den staatlichen Zwängen zu erlangen". Die Freiheit der Lehre und Forschung sei nicht mehr gewährleistet. Es sei ihr "ein Rätsel, warum wir die Sparmaßnahmen vollziehen müssen - warum müssen wir uns das gefallen lassen?" Und ihr Groll wächst weiter: Unter den Lehrenden herrsche ein schlechtes kommunikatives Klima, ja sie versteigt sich sogar zu der Behauptung, dass die Lehrerschaft eine "Herde von Neidhammeln" sei.

Was soll er dazu bloß sagen, der gute Romain? Für die Sparauflagen kann er nichts. Er behält die Contenance, wenngleich auch ihm zuweilen die Stimme in etwas zornigere Höhen abgleitet - so als er Katharina Sieverding widerspricht, die eine wahrhaft schreckliche Zustandsbeschreibung liefert: Es gebe zu wenig Computer und audiovisuelle Medien, zu wenig Tutorien, zu wenig Hilfskräfte, zu wenig Offenheit, zu wenig Gemeinschaft, zu wenig Dialog - kurz: es herrsche ein "unglaublicher Notstand".

Gut 200 Zuhörer saßen auf und standen hinter den Publikumsstühlen bei dieser ersten von vier Veranstaltungen von "club zwei", einer studentischen Initiative, die einen Grundsatzdialog mit Lehrenden der HdK führen möchte. Wie sieht die ideale Kunsthochschule aus? Für Birgitta Wehner (AStA der HdK) ist das "ein Freiraum, in dem man gemeinsam arbeitet". Sie wünscht sich "Mitbestimmung und Selbstorganisation". Eine Kunsthochschule sollte "gegen den neoliberalen Diskurs steuern" und "die Zustände gesellschaftskritisch überarbeiten". Das traditionelle Klassen-System hat in diesem Modell natürlich keinen Platz mehr. "Es ist Ausdruck einer antiquierten Vorstellung vom Künstler-Genie."

Hier muss Lothar Romain energisch protestieren. "Ich habe noch keine erfolgreichere Alternative dazu gesehen." Eine Klasse mit einem verantwortlichen Lehrer sei ja "kein closed shop". Der Lehrer sei "Widerstand und Hilfe zugleich". Eine Kommunikation untereinander sei überhaupt erst möglich, wenn man eine Klasse hat, in der man aufgehoben ist. "Die Klasse schafft Identität." Man brauche einen Rückzugsraum mit einer Bezugsperson, "auch um sich aneinander zu reiben. Denn Reiben heißt Diskutieren". Die Forderung nach mehr studentischer Mitbestimmung bei der Berufung von Professoren ist in seinen Augen "etwas naiv"; die Studentenschaft erneuere sich alle vier Jahre, "die Hochschule aber braucht Kontinuität - wenn die nicht gewährleistet ist, können wir gleich alles auflösen".

Auflösen - das wäre wohl so ganz nach dem Geschmack der HdK-Absolventin Katja Reichard, die begeistert das Lied vom "offenen Kollektiv" singt, vom "Miteinander statt Gegeneinander", ja, von familiären Beziehungen unter den Künstlern und von der Notwendigkeit, das "subjektive Denken an sein Ego" zu überwinden. Als ob das die harte Künstler-Wirklichkeit weicher machen würde! Nur etwa 3000 Künstler in Deutschland können von ihrer Kunst leben, war zu erfahren. Gemeldet sind bei der Künstlersozialkasse 42 000. Ob die auch alle an ihren Nächsten denken?

Tom Heithoff

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