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Gesundheit: Hoffen auf die Kraft der schlauen Mädchen

Unesco und Unicef stellen Studien zur Kinderbildung vor

„Wir wollen genau wissen, was die Mädchen erwartet, bevor wir Geld in den Neuaufbau des afghanischen Schulsystems stecken“, erklärte gestern der Staatssekretär des Entwicklungshilfeministeriums, Erich Stather. Er stellte in Bonn die Unesco-Studie „Bildung für alle: Gleichstellung der Geschlechter in aller Welt“ vor. Für alle Mitglieder der Kulturorganisation der Vereinten Nationen ist die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen schon in der Grundschule ein unbedingtes Menschenrecht ohne Zugeständnisse an einen relativistischen „Multikulturalismus“ unter dem Vorwand regionaler oder religiöse Traditionen.

Vor drei Jahren hat sich das „Weltbildungsforum“ geschworen, bis 2005 die Geschlechterbenachteiligung im Klassenzimmer zu beseitigen. Christopher Coclough, der Leiter des aktuellen Berichtsteams, schätzt jedoch, dass Dutzende von Ländern, vor allem im Süden Afrikas, das Ziel nicht erreichen. Die Ursachen sind kein Geheimnis: Armut und Kinderarbeit, frühe Verheiratung. Schule ist indes kein Allheilmittel oder auch nur ein „sicherer Hafen“, wie Coclough warnte. Er verweist ausdrücklich auf Gewalt und Vergewaltigung durch Lehrer, auf die „Schule als HIV-Herd in Afrika“.

Rupert Maclean vom Unesco-Zentrum für Berufsbildung stellte zudem klar, dass Schulbildung in breiten Schichten vieler Entwicklungsländer nur Zuspruch findet, wenn sie sich finanziell lohnt. Schulbildung müsse deshalb immer mit beruflicher Bildung verbunden sein und Jobs garantieren. Bei maßgerechter Volksbildung setzt Maclean mehr auf Mädchen als auf Jungen: „Eine Mutter, die die Schule besucht hat, wird auch ihre Kinder dorthin schicken, jedenfalls mit größerer statistischer Wahrscheinlichkeit als ein Vater das tut.“ Mädchenbildung ist also nachhaltiger. Der Generalsekretär der Deutschen Unesco-Kommission, Traugott Schöfthaler, erinnerte in Bonn daran, dass insoweit auch hierzulande noch viele Hausaufgaben unerledigt sind: „Ein Viertel aller deutschen Schüler verlassen die Schule ohne ausreichende Schreib- und Rechenkenntnisse, fünf Millionen Mitbürger sind Analphabeten.“

Auch das Weltkinderhilfswerk Unicef beklagt in seinem Jahresbericht „Zur Situation der Kinder in der Welt“ die Benachteilung von Mädchen. Über die Hälfte der weltweit 121 Millionen Kinder, die keine Schule besuchen, seien Mädchen, hieß es gestern bei der Vorstellung in Berlin und Genf. „Nichts hat so starken Einfluss auf die Entwicklung der Dritten Welt wie die Mädchenbildung“, sagte die Unicef-Verantwortliche für Ostasien Mehr Khan. Gebildete Frauen könnten Aids, Kindersterblichkeit und Hunger bekämpfen. Es gehe auch darum, ihre gesellschaftliche Situation zu verbessern: „Sie lernen Nein zu sagen, wenn sie früh verheiratet werden sollen.“ Unicef appelliert an die Entwicklungsländer, zehn Prozent ihrer Ausgaben für die Grundausbildung von Kindern vorzusehen.

Hermann Horstkotte[Andre Tauber]

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