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Gesundheit: „Hoffnung auf Heilung furchtbarer Krankheiten“

EU-Forschungskommissar Janez Potocnik erklärt, warum er auf Therapien mit Stammzellen setzt – und wie Europa mit der US-Forschung mithalten kann

Herr Potocnik, 2006 gingen alle Forschungs-Nobelpreise in die USA. Ist Europa in der Wissenschaft nur zweitklassig?

Wir sind vielleicht hinter den USA zweiter in der Klasse, aber wir sind nicht zweite Klasse. Europa ist Weltklasse in Bereichen wie der Bio- und der Nanotechnologie oder in der Forschung zur Kernfusion. Denken Sie an das Musikdateienformat MP3 oder GSM, die Grundlage für alle digitale Mobilfunknetze. Diese Erfindungen stammen aus Europa.

Sie warnen aber selber immer wieder davor, Europa werde in der Spitzenforschung den Anschluss verlieren, wenn die Ausgaben nicht massiv steigen. Die EU will bis 2013 jetzt mit 54 Milliarden Euro zwar mehr investieren als zuvor – allerdings 10 Milliarden weniger, als Sie gefordert haben.

Es stimmt, tatsächlich investieren wir deutlich weniger in die Forschung als andere Industrienationen. Und auch wenn ich uns mit Schwellenländern wie Indien und China vergleiche, macht mir das große Sorgen. Diese Länder verändern sich schnell, viel schneller als wir. Sie wissen ganz genau, wie wichtig es ist, viel Geld für Forschung auszugeben. Allerdings macht das neue EU-Forschungsrahmenprogramm gerade mal fünf Prozent aller öffentlichen Ausgaben in den Mitgliedsstaaten für Forschung aus. Es kommt jetzt auf jedes Land und auf die Wirtschaft an. Sie müssen ebenfalls deutlich mehr investieren.

Wie können Sie die Mitgliedsstaaten motivieren, mehr für Wissenschaft auszugeben?

Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal die Forschungsprogramme aller Mitgliedsstaaten evaluiert. Wir werden bald jedem Land Empfehlungen geben, und wir werden vielen raten, deutlich mehr Geld auf diesem Gebiet auszugeben.

Was raten Sie Deutschland?

Prinzipiell ist die Entwicklung Deutschlands positiv. Ich denke an die Exzellenzinitiative oder die High-Tech-Strategie. Ich hoffe, der Trend setzt sich fort. Die Kommission wird einige Verbesserungsvorschläge machen, zum Beispiel für die staatliche Förderung und steuerlichen Anreize für Forschungsinvestitionen.

Kernstück der EU-Pläne ist der neue Europäische Forschungsrat, dessen Generalsekretär der Deutsche Ernst-Ludwig Winnacker werden soll. Der Rat soll Gelder erstmals nur nach Exzellenzkriterien vergeben. Wie soll das klappen – jedes EU-Mitglied achtet schließlich genau darauf, dass die anderen nicht zu viel Geld bekommen.

Es muss endlich jeder verstehen: Wenn ein deutscher Forscher einen entscheidenden wissenschaftlichen Durchbruch schafft, ist das gut für ganz Europa und nicht nur für Deutschland. Wenn wir Forschung nach Leistung fördern, profitieren davon auch die Länder, die an die Spitze bisher nicht ranreichen.

Ein Prestigeobjekt von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist das European Institute of Technology (EIT). Seit Jahren wird darum gestritten. Wie stehen Sie zum EIT?

Das EIT ist sicher eine gute Idee. Wir haben in Europa ein großes Problem: Lehre, Forschung und die Entwicklung neuer Produkte sind nicht gut genug miteinander verzahnt. Für das, was wir in die universitäre Ausbildung junger Menschen investieren, bekommen wir am Ende nicht genügend Innovationen heraus. Genau an diesem Punkt soll das EIT ansetzen.

Wie soll das EIT aussehen?

Es sollte ein starker Verwaltungsrat für das EIT eingerichtet werden. Dieser sollte neue, wegweisende Forschungsvorhaben in exzellenten Unis und Instituten anstoßen und deren Arbeit koordinieren.

Das scheint dem Forschungsrat zu ähneln: Ein Dachinstitut fördert die Forschung bereits bestehender Institute. Ist so eine Dopplung sinnvoll?

Ich sehe überhaupt keine Übereinstimmungen. Der Forschungsrat vergibt ausschließlich Fördergelder. Im EIT hingegen wird mit Hilfe der Partneruniversitäten und Partnerinstitute Wissen gewonnen. Auch Studenten und junge Forscher werden ausgebildet. Das EIT soll zudem neues Geld für die Forschung einwerben, nicht bereits eingeplantes ausgeben.

Aus Ihrem Etat gibt es also kein Geld?

Nicht für den Aufbau der Verwaltungsstrukturen. Das EIT kann natürlich wie alle anderen auch Anträge für EU-Forschungsgelder stellen. Wenn es in der Konkurrenz mit Unis und Instituten gewinnt, wäre das ein schöner Beweis, dass wir ein gutes Institut aufgebaut haben.

Weltweit kontrovers diskutiert wird die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Wo steht die europäische Forschung?

Die Situation in Europa mit der in den USA zu vergleichen ist schwierig. In den USA wird die embryonale Stammzellforschung nicht mit staatlichem Geld unterstützt, sondern von privaten Förderern. Wir haben in der EU lange über das Thema diskutiert. Wir müssen ethische Bedenken selbstverständlich ernst nehmen. Es ist aber auch eine Tatsache, dass die embryonale Stammzellforschung große Hoffnungen auf die Therapie einiger furchtbarer Krankheiten macht, die bisher unheilbar sind. Ich denke an die Parkinson-Krankheit, Querschnittslähmung oder Diabetes. Am Ende sind wir zu einer Lösung gekommen, die alle Staaten unterstützen können …

… nach der die EU grundsätzlich die embryonale Stammzellforschung fördert – was aber Gesetzen in mehreren Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, widerspricht. Wäre ein einheitliches europäisches Gesetz nicht sinnvoller?

Das war niemals beabsichtigt. Jedes Land sollte seine eigenen Gesetze und ethischen Vorstellungen haben und sollte diese auch bei sich umsetzen können.

Wie bewerten Sie die deutsche Haltung? Die Forschung ist nur an Stammzelllinien erlaubt, die vor dem 1. Januar 2002 im Ausland entstanden sind. Forscher beklagen, damit könne man kaum noch arbeiten.

Ich werde mich davor hüten, die Positionen einzelner Mitgliedsstaaten zu beurteilen. Embryonale Stammzellforschung ist ein heikles Thema. Das sollte jedes Land für sich debattieren.

Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

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