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Gesundheit: Ich will rein ins Seminar

Was demnächst so alles auf die deutsche Bevölkerung zukommt, ist an unserem Institut schon in die Testphase gegangen. Rot-Grün probt bei uns in einem supergeheimen Uni-Experiment schon mal, wie Gürtelengerschnallen, Obdachlosigkeit und Arbeitsplatzkonkurrenz auf die menschliche Moral wirken.

Was demnächst so alles auf die deutsche Bevölkerung zukommt, ist an unserem Institut schon in die Testphase gegangen. Rot-Grün probt bei uns in einem supergeheimen Uni-Experiment schon mal, wie Gürtelengerschnallen, Obdachlosigkeit und Arbeitsplatzkonkurrenz auf die menschliche Moral wirken. Steigt die Mordrate? Nehmen proportional zur Länge der Warteschlangen die Rückenschäden zu? Entsteht aus den Wartezeiten ein Rentenanspruch? Und die entscheidende Frage: Wird der Pöbel eine Revolution anzetteln?

Nun, im Moment steht sich der Pöbel noch die Beine in den Bauch. Rüttelt und schreit: Ich will da rein! Rein ins Seminar, ins übervolle. Ich schiele mit dem linken Auge durch die Lücke des abgewinkelten Ellenbogens meines Vordermanns auf einen beigebejackten Arm, an dem angeblich die Professorin hängt. Aber ist sie wirklich da? Hat der Sparzwang jetzt vielleicht schon den Lehrkörper weggespart?

Doch, halt, eine Stimme. Flotter, schwäbischer Zungenschlag, mittlerweile ein sogar in Übersee bekanntes Idiom. Die Professorin Herta D.-G. geht energisch gegen den Mob vor, nachdem sie für sich und ihren Laptop einen Platz erkämpft hat: „Wer von ihnen will denn nun wirklich arbeiten?“ Sie schaut bewusst grimmig in die Runde. Schweigen. „Na, dann wollen alle anderen jetzt gehen?!“ Das ist ja ein Ton wie damals beim Adol…! denke ich – nein, aber das ist jetzt wirklich kein Vergleich. Alle Drohungen bringen nichts, sie wird die Studentenfülle nicht los. Keiner will heim ins Bett und endlich ausschlafen. Sie droht mit Referatsterror und harten Testmaßnahmen, auf dass sich zum nächsten Mal die Reihen lichten. Adieu.

Verkraftet das Volk eigentlich noch härtere Abgabelasten? Testen wir mal eben an den Studenten, dachte wohl die Regierung und führt eine inoffizielle Seminarsteuer ein: Essayschreiben. Nur wer schreibt, bleibt. Per Arbeitszwang die Studenten in die Flucht schlagen, todsichere Strategie! dachte sich da ein Prof. Aber immer noch 85 von 200 Studenten machen mit. Das Volk ist duldsam, die Strategie des Dozenten gescheitert. Er rebelliert gegen soviel Fleiß: „Das gab es hier noch nie!“ Einzelne Vorschläge, doch weitere Essays schreiben zu lassen, bis eine erquickliche Zahl von etwa 30 Studenten übrig bleibt, führen zu tumultartigen Ausschreitungen. So duldsam ist der Pöbel dann doch nicht. Der Professor beschwichtigt: „Sie erleben hier im Studium zwar Unglaubliches, aber wenigstens kostet es nichts.“

Juliane von Mittelstaedt

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