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Gesundheit: In der Privatsphäre

Flüge ins All sind teuer. Der Ingenieur Burt Rutan will nun zeigen, dass es auch ohne staatliche Hilfe geht

Von Rainer Kayser, dpa

Burt Rutan juckt es in den Flügeln. Allzu gern würde der 61-jährige Luftfahrtingenieur selbst einmal die Schwerelosigkeit genießen und einen Blick vom Weltall aus auf den blauen Planeten werfen. Er hat viel dafür getan, diesen Traum vielleicht schon bald verwirklichen zu können. Am 29. September und 4. Oktober soll das von ihm entwickelte Raumfahrzeug „Spaceship One“ gleich zweimal hintereinander den Weltraum erreichen – und damit den mit zehn Millionen Dollar dotierten „Ansari-X-Preis“ für private bemannte Raumflüge einfliegen. Einen weiteren Flug plant ein kanadisches Team mit der von einem Ballon aus startenden Rakete („Wild Fire“) für den 2. Oktober.

Die parabelförmigen Flüge von Spaceship One und Wild Fire sollen eine Höhe von 100 Kilometern erreichen. Das ist die Grenze zum Weltall (siehe Infokasten). Sie bescheren den Piloten vier Minuten der Schwerelosigkeit.

Für sich genommen ist das nur ein kleiner Schritt ins All, den zudem schon vor mehr als 40 Jahren amerikanische und russische Astronauten hinter sich gebracht haben. Doch für Rutan ist es der Beginn einer „Blütezeit“ der Raumfahrt, „vergleichbar mit der wundervollen Zeit zwischen 1908 und 1912, als die Zahl der Piloten weltweit von zehn auf über 1000 anstieg“. Er will den Nachweis erbringen, dass bemannte Raumfahrt nicht nur für staatliche Organisationen, sondern auch mit privat finanzierten Raumschiffen möglich und erschwinglich ist.

Genau das entspricht der Zielsetzung des X-Preises: das Weltall für jedermann zugänglich zu machen. Im Zentrum dieser Ambitionen steht die vollständige Wiederverwendbarkeit der Raumfahrzeuge. Nur so lassen sich die Kosten für den Flug ins All senken. Zweimal innerhalb von zwei Wochen, so lauten die Bedingungen, muss ein und dieselbe, für drei Personen – einen Piloten, zwei Passagiere – ausgelegte, privat finanzierte Rakete die Grenze zum Weltall überqueren und wieder sicher auf der Erde landen. Die Passagiere können dabei vorerst durch Ballast simuliert werden. Doch Burt Rutan spielt mit dem Gedanken, bei einem der Flüge selbst an Bord zu gehen.

Rutan genießt in der Luftfahrtbranche hohes Ansehen. Mit acht Jahren entwarf und baute er eigene Modellflugzeuge. 1959, gerade einmal sechzehn Jahre alt, meisterte er seinen ersten Alleinflug in einem echten Flugzeug. Nach jahrelanger Tätigkeit als Ingenieur bei der US-Luftwaffe gründete er zunächst die Rutan Aircraft Factory und später Scaled Composites. 38 unterschiedliche Flugzeuge gehen auf Rutans Entwürfe zurück, die sich fast ausnahmslos durch ein ungewöhnliches Design auszeichnen und für die er viele Preise einheimste.

Weltweit in die Schlagzeilen geriet Rutan 1986, als das von ihm gebaute Leichtflugzeug Voyager erstmalig ohne aufzutanken um den Globus flog. Neun Tage dauerte der Rekordflug, bei dem sein Bruder Dick am Steuerknüppel saß.

Burt Rutan traut auch die skeptische Fachwelt den Griff nach den Sternen zu. Zumal es ihm gelang, mit dem Microsoft-Mitbegründer Paul Allen einen finanzkräftigen Sponsor ins Geschäft zu holen. Über 20 Millionen Dollar hat Allen inzwischen in Entwicklung und Bau des Spaceship One gesteckt – Peanuts freilich im Vergleich zu den Milliardenbeträgen, die staatliche Raumfahrtbehörden Jahr für Jahr ausgeben.

Inzwischen hat SpaceShipOne bereits Geschichte geschrieben: Am 17. Dezember 2003, genau 100 Jahre nach dem ersten Motorflug der Wright-Brüder – durchbrach das Raketenflugzeug als erstes privat finanziertes, bemanntes Luftfahrzeug die Schallmauer. Und am 21. Juni dieses Jahres gelang der große Coup: Mit dem 63-jährigen Piloten Mike Melville an Bord überquerte Spaceship One erstmalig die magische 100-Kilometer-Marke.

Der Flug ins All ist allerdings eine Herausforderung für Luftfahrt-Ingenieure. Das Raketenflugzeug muss enormen Beschleunigungs- und Verzögerungskräften standhalten, unter völlig unterschiedlichen aerodynamischen Verhältnissen von Unter- und Überschallflug steuerbar sein, dem Überdruck beim Durchbrechen der Schallmauer ebenso widerstehen wie dem Vakuum des Weltalls.

Rutan hat mit seinem Spaceship One zur Lösung dieser Probleme in vieler Hinsicht Neuland betreten. So besteht das Raketenflugzeug nicht aus Metall, sondern fast vollständig aus mit Kohlefasern verstärktem Kunststoff. Dieses Material ist nicht nur enorm widerstandsfähig, sondern auch leicht und spart Treibstoff. Um die Aufheizung beim Wiedereintritt in die Atmosphäre zu minimieren, ändert Spaceship One am höchsten Punkt der Flugbahn seine Form: Große Heckklappen werden hoch geschwenkt, verlangsamen so den Flug und stabilisieren zugleich die Fluglage.

Als Treibstoff verwendet Rutan einen gummiartigen Feststoff und flüssiges Lachgas (Distickstoffmonoxid) – beides ist für sich allein nicht explosiv und verringert so die Gefahr eines Unglücks. Zudem sind die Verbrennungsrückstände Wasserdampf, Kohlendioxid und -monoxid sowie Stickstoff im Vergleich zu vielen herkömmlichen Raketentreibstoffen kaum umweltbelastend.

Spaceship One startet in 15 Kilometern Höhe von einem – ebenfalls von Rutan entwickelten – Trägerflugzeug namens „White Knight“ und landet nach erfolgreichem Weltraumflug wie ein gewöhnliches Flugzeug auf einem Flugplatz in der Mojave-Wüste.

Neben Rutans Team rechnet sich inzwischen nur noch das kanadische DaVinci-Projekt eine Chance auf den Gewinn des X-Preises aus. Die Kanadier gehen ein hohes Risiko ein: Ohne vorherige Testflüge soll ihre „Wild Fire“-Rakete am 2. Oktober einen bemannten Flug ins All unternehmen. Und nur wenn einer von Rutans Flügen scheitert, könnten die Kanadier plötzlich die Nase vorn haben.

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