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Gesundheit: In diesem Studiengang wird nicht nur geturnt, sondern viel Theorie gepaukt

Nicht alle Sportstudenten wollen auch Sportlehrer werden. Das ist für viele Zeitgenossen neu.

Nicht alle Sportstudenten wollen auch Sportlehrer werden. Das ist für viele Zeitgenossen neu. Beantwortet man die Frage, was man denn so studiere, einfach mit "Sport", reagiert der Fragesteller häufig mit verständnisvollem Nicken: "Aha, Sie wollen also Lehrer werden." Die Verwirrung ist groß, wenn es dann heißt, man studiere Sportwissenschaft mit dem Ziel Diplom. "Der Diplomstudiengang ist im Grundstudium ähnlich struktiert wie das Lehramtsstudium", sagt Winfried Heinicke, Sportdozent an der Humboldt-Universität und Koordinator für den Diplomstudiengang. "Wir beleuchten sportspezifische Erscheinungen im Leistungs-, Reha- sowie Präventionssport und vermitteln Untersuchungsergebnisse."

Sport als Wissenschaft - für viele eine belächelte Disziplin. Manuela Wustrack hört häufig das Wort "Schmalspurstudium" in ihrem Bekanntenkreis. "Es ist aber nicht so, wie manche behaupten, dass man im Sportstudium nur Runden läuft und dann ein Diplom erhält", sagt die 27-Jährige. Sie studiert seit dem Wintersemester 1993/94 an der Humboldt-Universität und gehört damit zum ersten Jahrgang der Diplom-Sportwissenschaftler. Die Stabhochspringerin möchte ihr Hobby zum Beruf machen.

Im Grundstudium muss viel Theorie gebüffelt werden: In Medizin, Trainings- und Bewegungswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Didaktik und Geschichte, jeweils mit starkem Sportbezug. Besonders das Fach Biomechanik bereitet vielen Studierenden Kopfzerbrechen. "Wie man mit so viel Physik eine einfache Bewegung erklären kann, ist für mich unbegreiflich", sagt ein Student im ersten Semester.

Der Spaß kommt auf dem Trampolin

Aber der Spaß kommt nicht zu kurz. Praxiskurse und Sportaktivitäten führen zu schnellen Kontakten und zu Abwechslung zwischen den Theorieseminaren. "Jeder sollte hier die Möglichkeit nutzen, Sportarten wie Segeln oder Trampolinspringen auszuprobieren. Wann bekommt man sonst noch mal so eine günstige Gelegenheit", sagt der ehemalige Schwimmer Matthias König. Er hat seine neue Leidenschaft über einen Wahlpflichtkurs entdeckt: Taekwondo. Und Lars Winkler erinnert sich an Studienreisen zum Bergwandern oder Ski fahren, die auch dem Erwerb von Leistungsscheinen dienten: "Dort sind Freundschaften entstanden, die auch nach dem Studium noch bestehen." Er denkt gerne an die feucht-fröhlichen Nächte im Skilager zurück.

Das Hauptstudium setzt die Schwerpunkte Leistungssport sowie Rehabilitation und Prävention. Pflichtpraktika in Sportverwaltung und -praxis bringen notwendige Erfahrungen, und ergänzend müssen Kurse im Sportmanagement gewählt werden. Am Sportinstitut in Hohenschönhausen wird außerdem Wert auf praxisnahe Forschungsprojekte gelegt. "Durch die räumliche Nähe zum Olympiastützpunkt und der sportbetonten Werner-Seelenbinder-Schule bieten sich hervorragende Möglichkeiten für sportwissenschaftliche Untersuchungen", sagt der Institutsdirektor Roland Wolff.

Mit Andreas Wecker an den Ringen

Dort trainieren so viele Olympiaathleten, wie nirgendwo anders in Deutschland - das motiviert auch die Studenten. Ein Vorteil für die Forschungsarbeit und für die Motivation der Studenten. "Wo erhält man, außer an der Sporthochschule in Köln die Möglichkeit, so dicht neben vielen prominenten Leistungssportlern selbst zu üben", erzählt Marcus Bethin, der während seiner Kurse schon Schwimmstar Franziska von Almsick und Turn-Olympiasieger Andreas Wecker zu Gesicht bekam.

Das Sportforum bietet mit den leistungssportlich betriebenen Trainingsanlagen ideale Bedingung für Studierende. Für fast alle Sportarten stehen Hallen oder Freiluftanlagen zur Verfügung. Die noch in der Zeit der DDR erbauten Hallen entsprechen zwar nicht heutigen ästhetischen Vorstellungen, haben aber eine Ausstattung, von der andere Diplomstudenten in Deutschland nur träumen können. Und an der Ästhetik wird gefeilt. Außerdem liegen alle relevanten Sportstätten und Seminarräume auf einem Gelände. Das Argument der kurzen Wege war auch einer der Hauptgründe für die politische Entscheidung, das Sportinstitut an der FU zu schließen. Zumal in Dahlem Sport nur für Lehrer und als Magisterstudium angeboten wurde.

Die Zeiten in denen sportliche Humboldtianer in Schlafsäcken die Nacht vor dem Institutsgebäude verbrachten, um sich als erste in Teilnehmerlisten für Praxiskurse einzutragen, liegen lange zurück. Die begehrten, weil zahlenmäßig beschränkten, Plätze werden inzwischen durch Lose in den Kursen verteilt. Härtefälle werden natürlich berücksichtigt. An das zweifelhafte Gemeinschaftserlebnis erinnern sich jetzt nur noch ältere Semester auf ihren Absolvententreffen.

Sie erinnern sich aber auch an das gute Verhältnis zwischen Studierenden, Dozenten und Professoren, weil das Sportinstitut der Humboldt-Uni im Vergleich zu anderen relativ klein ist. Darauf ist man trotz wachsender Studentenzahlen stolz, bedeutet diese persönliche Atmosphäre doch im Allgemeinen einen schnelleren Abschluss. Derek Kröger wechselte als Student von der FU an die HU, war dort Studentenberater und weiß um die Besonderheiten, die ein kleiner Studienort bietet. "Es ist ein Vorteil, wenn man hier viele kennt. Idealerweise sind auch alle auf einem Gelände. Deshalb hat diese Uni so starken Zulauf."

Kontaktbörse für Leistungssportler

Im Sportforum lassen sich auch berufliche Kontakte knüpfen, die man nutzen sollte, rät Roman Kluge. Er betreut die Öffentlichkeitsarbeit am Olympiastützpunkt und war einer der ersten Absolventen an der HU. "Es ist hier vergleichbar einfach, die Theorie in praktische Erfahrungen umzuwandeln." Denn Hauptbetätigungsfeld der Diplom-Sportwissenschaftler ist der Leistungssport. Viele erreichen ihren Beruf als Trainer, Betreuer oder Berater über den Kontakt während des Studiums. Darüber hinaus finden sich Stellen in Fachverbänden, als PR-Manager, Veranstalter und Journalist.

Voraussetzungen für das Diplom-Sportstudium an der HU Berlin sind die allgemeine Hochschulreife, eine ärztliches Sporttauglichkeit-Bescheinigung sowie eine bestandene sportliche Eignungsprüfung. Zur Zeit werden 30 Studenten pro Jahr aufgenommen, für die im WS 1999/2000 ein NC von 2,3 bestand. Das Studium ist auf acht Semester angelegt. Spezielle Informationen sind erhältlich unter 9717 2625.

Ingo Wolff

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