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Gesundheit: Institut für Zukunftsstudien: Nur die Vielfalt sichert das Überleben

Robert Jungk säte Misstrauen. In den 70er Jahren kritisierte er den uneingeschränkten Glauben an die Technologie als Heilsbringer der Zivilisation.

Robert Jungk säte Misstrauen. In den 70er Jahren kritisierte er den uneingeschränkten Glauben an die Technologie als Heilsbringer der Zivilisation. Wie Hans Jonas forderte er weniger Technik und mehr verantwortungsvolle Wissenschaftler. Bis zu seinem Tod im Jahr 1994 hörte er nicht auf, vor der Umweltzerstörung durch die Zivilisationsmaschine zu warnen. Sein Lebenswerk steckt zum guten Teil im Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), das dieser Tage sein zwanzigjähriges Bestehen feiert. Rolf Kreibich, der das privat getragene Institut in der Schopenhauerstraße heute leitet, nannte Jungk den "Initiator eines Suchprozesses nach zukunftsfähigen Perspektiven in der Forschung." 25 Mitarbeiter anaylsieren derzeit am IZT die jüngsten Trends in der Wissenschaft und prognostizieren neue Forschungsfelder.

In seinem Festvortrag befasste sich Hans-Peter Dürr, Träger des Alternativen Nobelpreises, kritisch mit der Zukunftsfähigkeit von Wissenschaft und Politik. Der Physiker hatte 1956 bei Edward Teller in den USA promoviert. Danach arbeitete er fast zwanzig Jahre lang bei Werner Heisenberg in München, danach in Berkeley, im indischen Madras und wieder am Max-Planck-Institut für Physik in München. "Wenn wir von Zukunft sprechen, nehmen wir immer an, sie lasse sich irgendwie berechnen", sagte er. "Doch die Zukunft ist chaotisch, niemand kann sie wirklich vorhersagen." Die Evolution des Lebens auf der Erde habe gezeigt, wie sich die Natur auf künftige Entwicklungen vorbereitet: "Sie bietet möglichst vielen, differenzierten Lebewesen Platz, um möglichst viele Optionen zu haben. Wenn wir von Zukunftsfähigkeit reden, müssen wir zuerst die Zahl unserer Optionen erhöhen." Die Globalisierung dürfe nicht auf Kosten der Artenvielfalt oder der kulturellen Vielfalt der Völkergemeinschaft erfolgen, warnte Hans-Peter Dürr. "Wenn Globalisierung hingegen bedeutet, dass sich alle bekriegen, wird es überhaupt keine Zukunft geben. Jeder, der mitspielen will, soll mitspielen dürfen."

Fünfzig Jahre lang hat Dürr die Bausteine der Materie studiert. "Je tiefer wir in die Materie hineinsehen, desto deutlicher wird, dass es überhaupt keine reine Materie gibt. Im Innersten bleiben nur Wechselwirkungen übrig, die sich in sehr sensiblen Zuständen befinden. Das gilt erst recht für lebende Wesen, den Menschen eingeschlossen."

Dürr warf den Biologen vor, bei ihrer Suche nach dem menschlichen Genom im Weltbild des 19. Jahrhunderts stecken geblieben zu sein. "Damals dachte man sich die Natur als Maschine, deren Teile man nur immer weiter zerteilen muss, um zu ihrem Ursprung vorzudringen. Der Mensch stand außerhalb der Natur", kritisierte er. "Heute wissen wir, dass alles miteinander zusammenhängt. Das mechanistische Weltbild ist seit 75 Jahren erledigt." 1927 hatte Heisenberg die so genannte Unschärferelation gefunden. Demnach lassen sich die Zustände und Bewegungen der kleinsten physikalischen Teilchen und Photonen überhaupt nicht exakt messen, denn die Messapparatur verändert die zu messenden Größen ganz erheblich. Gleiches gilt auch für die Wechselwirkung der kleinsten Bausteine untereinander. Nach Heisenbergs Theorie gibt es keine einfache Kette von Ursache und Wirkung mehr, alles ist miteinander verwoben. "Die Wissbarkeit hat also ihre Grenzen", resümierte Dürr. "Wir können nur feststellen, welche Potenziale ein System hat, in welche Richtungen es sich aller Wahrscheinlichkeit nach entwickelt."

Heiko Schwarzburger

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