zum Hauptinhalt

Gesundheit: Interview mit Hans Bohrmann, Professor am Institut für Journalistik in Dortmund, über die Grauzone an den Universitäten

Dass bei akademischen Prüfungen betrogen wird, hat es schon immer gegeben. Allerdings gab es früher ein Gegengewicht; in den fünfziger Jahren waren Magisterarbeiten Teil der wissenschaftlichen Produktion ihres Instituts, sie waren öffentlich zugänglich.

Dass bei akademischen Prüfungen betrogen wird, hat es schon immer gegeben. Allerdings gab es früher ein Gegengewicht; in den fünfziger Jahren waren Magisterarbeiten Teil der wissenschaftlichen Produktion ihres Instituts, sie waren öffentlich zugänglich. Dadurch vermeidet man, dass Doubletten eingereicht werden.

Kennen Sie Fälle von Betrug?

Ich kenne Fälle aus den 60er und 70er Jahren, die herausgekommen sind. Eine Dissertation ist dadurch hergestellt worden, dass sich jemand vier bislang unveröffentlichte Dissertationen besorgt hat und diese Manuskripte zu drei Kapiteln seiner eigenen Dissertation umgearbeitet hat, ohne sie im Literaturverzeichnis anzugeben. Das kam heraus, weil dem Gutachter die Texte bekannt vorkamen. Er hat dann verglichen und festgestellt, dass es sich um wörtliche Übernahmen von zwanzig Jahre alten Arbeiten einer anderen Uni handelte. Die Fakultät hat dem Absolventen daraufhin den Doktortitel aberkannt, ihm aber die Chance gegeben, über dasselbe Thema eine neue Arbeit einzureichen. In einem anderen Fall ist in einer historischen Dissertation eine fremdsprachliche Veröffentlichung einfach ins Deutsche übersetzt worden.

Wie oft werden in Deutschland Titel aberkannt?

Die Aberkennung eines Titels ist ein sehr selten gebrauchtes Mittel an deutschen Hochschulen. Die Fakultäten tun sich natürlich sehr schwer mit diesem Verfahren. Es gibt ja für Promotionen eine Kommission von mehreren Professoren. Die Aberkennung ist gleichzeitig der Beleg dafür, dass man nicht sorgfältig genug geprüft hat. Es muss also schon ein gravierender Verstoß sein, damit man den Titel aberkennt.

Haben die Schummler es heute leichter als früher?

In früheren Jahrzehnten hat man als Prüfer bei der Vergabe von Themen sorgfältig darauf geachtet, dass man von der Sache genügend versteht, die Literatur kennt, die Quellenlage beurteilen kann. Bei der Fülle der Themen, die heute bei Magister-, Diplom- und Staatsexamina gestellt werden müssen, ist das häufig gar nicht mehr möglich. Dann kann es natürlich passieren, dass eine Arbeit eingereicht wird, die kurz zuvor an einer anderen Universität abgegeben wurde. Zudem fehlt bei der Betreuung von schriftlichen Arbeiten häufig der entsprechende Kontakt. Man sieht einen Studenten, wenn er sich ein Thema holt und das nächste Mal vielleicht bei der mündlichen Prüfung.

Die Studentenzahlen lassen sich nicht wegradieren. Was wäre zu tun?

Besonders wichtig scheint mir, dass endlich der Unsinn mit den völlig falsch verstandenen Persönlichkeits- und Urheberrechten verändert wird. Wissenschaftliche Arbeit ist nur dann im vollen Sinne Wissenschaft, wenn sie öffentlich sich vollzieht und öffentlich zur Kenntnis genommen werden kann. Überall dort, wo es keine Publikationspflicht gibt, entstehen Grauzonen, in denen der Examensbetrug blüht. Was hindert uns eigentlich daran, in bibliografischen Übersichten die unveröffentlichten Examensarbeiten nach Titel, Verfasser und Betreuer bekannt zu machen? Solange diese Arbeiten den Augen jeder Öffentlichkeit entzogen sind, wird unehrlich erworbenen Titeln nur der Weg bereitet.

Wächst die Gefahr durch das Internet?

Bei der Fülle an Informationen hat niemand mehr einen Überblick darüber, was im Netz ist. Man kann ja schon über Internet Hausarbeiten abrufen. Hinzu kommt: Abschlussarbeiten werden immer dicker. Und entsprechend wächst die Versagensangst. Das könnte manchen auf illegale Wege führen. Themen müssen so gestellt werden, dass sie in der Frist zu bewätigen sind.

Halten Sie es für möglich, dass sich ein Student erfolgreich durchs Studium schummeln kann?

Ausgeschlossen ist das sicher nicht. Aber was wäre der Sinn einer solchen Unternehmung? Er wird doch auch einen Beruf ausüben wollen, in dem er bestimmte Dinge, die er gelernt hat, auch braucht, sonst könnte er es ja lassen. Und die soziale Gratifikation, die man durch einen Studienabschluss hat, ist ja heute viel geringer als früher. Man muss ihn nicht unbedingt haben, das heißt, man muß ihn auch nicht vorspiegeln.

Nicht nur Studenten mogeln, auch Professoren verhalten sich nicht immer ganz korrekt - so wenn diese die Vorarbeit ihrer wissenschaftlichen Hilfskräfte ohne Namensnennung in ihre eigenen Publikationen einarbeiten.

Das kommt leider alltäglich vor. Manchmal liegt auch der Verdacht nahe, dass sich ein Wissenschaftler seine Quellen selbst gemacht hat. Jetzt gibt es ja eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft angestoßene Diskussion über die Ethik der Forschung, Anlass waren die bekannten Skandale im Medizinbereich. Das wird in allen wissenschaftlichen Gesellschaften diskutiert. In den meisten Fächern sind auch schon entsprechende Kodizes verabschiedet worden.

Tom Heithoff

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false