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Gesundheit: Islam im Unterricht: Ein fast unbekanntes Territorium

Die vergangene Woche war neben allem anderen auch eine Art Schnellkurs in Weltpolitik. Nie hat man in so kurzer Zeit so viel über Fundamentalismus und Terrorismus gehört, aber auch selten zuvor so viel über die islamische Welt im Ganzen gelernt, über die internen Kräfteverhältnisse und die Beziehungen der einzelnen Länder zueinander, selten auch hat man so viele Bilder aus arabischen Hauptstädten gesehen.

Die vergangene Woche war neben allem anderen auch eine Art Schnellkurs in Weltpolitik. Nie hat man in so kurzer Zeit so viel über Fundamentalismus und Terrorismus gehört, aber auch selten zuvor so viel über die islamische Welt im Ganzen gelernt, über die internen Kräfteverhältnisse und die Beziehungen der einzelnen Länder zueinander, selten auch hat man so viele Bilder aus arabischen Hauptstädten gesehen. Vielen hier zu Lande wurde dabei deutlich, wie wenig sie eigentlich über diese Regionen und ihre Menschen wissen - dabei sind das Wissen um und das Verständnis für andere Kulturen umso wichtiger, je mehr sich die politische Lage aufheizt. Vorauszusehen ist daher, dass die Anschläge auch Einfluss auf die deutsche Bildungspolitik haben werden: Die GEW hat bereits gefordert, die Politische Bildung an den Schulen zu verstärken.

Der Islam in Schulbüchern

Was lernt man eigentlich in der Schule über die islamische Welt? Viel zuwenig, meint Öczlan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Er sieht einen "riesigen Nachholbedarf", nicht nur was die Kenntnis islamisch geprägter Kulturen im Ausland angeht, sondern auch die der Migrantenkulturen im Inland: "Ali und Ayshe kommen in deutschen Schulbüchern nicht vor." Interkulturelle Erziehung friste ein Nischendasein und werde nur von einzelnen engagierten Lehrern gepflegt, die in Bezirken mit hohem Ausländeranteil unterrichteten. Sie müsse jedoch in den allgemeinen Rahmenplänen verankert werden. "Auch die Grundschüler in Marzahn sollen andere Religionen und Kulturen kennenlernen. Was nicht mehr fremd ist, löst auch keine Angst aus."

Der Islam als Religion wird in Berlin hauptsächlich im Religionsunterricht behandelt, der - anders als in anderen Bundesländern - in der Verantwortung der Kirchen liegt, freiwillig ist und daher die älteren Schüler oft nicht mehr erreicht. Die islamische Welt mit ihren Kulturen und Konflikten taucht aber auch in den staatlichen Lehrplänen Berlins auf: in der Grundschule in der 6. Klasse (Entstehung des Islam); in der 7. Klasse der Oberschulen im Geschichtsunterricht (Entstehung des Islam und arabisches Weltreich), in der 9. Klasse in Erdkunde (Naher und Mittlerer Osten/Fundamentalismus), und in der 10. Klasse steht in Gemeinschafts- oder Weltkunde der Nahostkonflikt auf dem Programm.

Im Rahmenplan für den Leistungskurs Geschichte sind nur europäische Themen und der Ost-West-Konflikt vorgesehen, die Beziehungen zu islamischen Ländern in den jeweiligen Epochen tauchen nur als eines von mehreren möglichen Wahlthemen auf. Auch in Politischer Weltkunde in der gymnasialen Oberstufe kommt die islamische Welt allenfalls unter den Stichwörtern "Entkolonialisierung", "Migrationen" oder "Internationale Krisen" (Nahost) vor - und die Türkei wird als eines von mehreren möglichen Beispielen für Schwellenländer vorgeschlagen. "Die Lehrer können natürlich jederzeit mehr machen oder auch aktuelle Ereignisse behandeln", sagt Rita Hermanns, Sprecherin der Schulverwaltung.

Jedes Bundesland setzt seine eigenen Lehrpläne fest, und auch die Schulbücher sehen in den einzelnen Ländern unterschiedlich aus. Einen Überblick über die Darstellung der islamischen Welt in deutschen Schulbüchern und Rahmenplänen zu gewinnen, ist daher schwierig. Zu einer "Schulbuch-Schelte" bestehe kein Anlass, sagt Georg Stöber vom Georg Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung; Feindbilder würden nicht vermittelt, vereinzelt jedoch kämen "unglückliche Formulierungen" vor, da die Autoren keine Islam-Experten seien. Nicht überall nimmt die islamische Welt den Raum ein, der zu wünschen wäre. Beispielsweise ist man in der Geographie vom traditionellen Länderkunde-Unterricht abgekommen und gliedert den Stoff jetzt in übergreifende Themen wie "Deutschland in Europa" und "Entwicklungsländer", die mit ausgewählten Beispielen veranschaulicht werden. In einigen alten Bundesländern kann es laut Stöber vorkommen, dass ein Schüler im Geographie-Unterricht wenig bis gar nichts über die islamische Welt erfährt - einfach weil sie nicht taugt, um das jeweilige übergreifende Thema zu illustrieren. Die neuen Bundesländer dagegen sind bei einem stärker raumbezogenen Konzept geblieben und decken so auch immer die islamische Welt ab. Wie differenziert das im Unterricht geschieht, hängt vom Lehrer ab; mancher beschränkt sich auf "griffige" Schlagwörter wie die "fünf Säulen des Islam".

Der Türke als Fremder

In den Schulbüchern und Lehrplänen für den Geschichtsunterricht taucht der Islam relativ ausführlich im Mittelalter auf - Ausbreitung des Islam, Kreuzzüge -, dann wieder bei den Themen "Verfall des Osmanischen Reiches", "Türkenkriege" und "Imperialismus" (Ägypten-Feldzug Napoleons); aus der jüngeren Geschichte wird noch der Nahostkonflikt behandelt. Im Gemeinschaftskunde-Unterricht wird Stöber zufolge zwar über Migration gesprochen, doch die deutsch-türkische Migrantenkultur komme in Schulbüchern nicht vor. Die Rede sei vom Türken als Einwanderer, als Fremdem, nicht aber von den Türken, die seit Generationen in Deutschland leben.

Die Schulbuch-Verlage haben erkannt, dass Nachholbedarf besteht und haben zusätzliche Themenhefte und Materialien angekündigt. Der Berliner Cornelsen-Verlag hat bereits jetzt Arbeitsblätter ins Netz gestellt, die Lehrer verwenden können.

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