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Gesundheit: Junge Verwandtschaft

Schimpanse und Mensch haben sich Millionen Jahre später getrennt, als bisher angenommen

Ein paar Millionen Jahre Menschheitsgeschichte wollen David Reich und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) im US-amerikanischen Cambridge umschreiben. Menschen und Schimpansen gingen erst seit 5,4 Millionen Jahren eigene Wege, schreiben sie online im Magazin „Nature“.

Die Autoren schießen aus Erbgutanalysen zudem, dass sich Menschen und Schimpansen auch dann noch eine Zeitlang paarten, als die Arten bereits getrennt waren.

Bisher nahmen die meisten Forscher an, der letzte gemeinsame Vorfahre beider Arten sei vor 6,5 bis 7,4 Millionen Jahren in Afrika unterwegs gewesen. Das schließen sie aus Erbgutanalysen. So wurde das Genom des Menschen, von drei heute lebenden Menschenaffenarten, Schimpanse, Orang-Utan und Gorilla und sowie von einer Makaken-Art analysiert. Je mehr Unterschiede sich zwischen den Erbanlagen jeweils zweier Arten finden, umso länger dürfte deren Trennung zurückliegen.

Nimmt man zudem an, dass sich die Veränderungen immer im gleichen Tempo ereigneten, so sollte sich der letzte gemeinsame Vorfahre von Schimpanse und Menschen vor ungefähr 6,5 bis 7,4 Millionen Jahren durch afrikanische Baumkronen geschwungen habenDanach änderte sich das Klima. Im Osten Afrikas regnete es seltener.

Der Wald wich einzelnen Baumgruppen in der Savanne. Ein paar der gemeinsamen Vorfahren eroberten diesen Lebensraum. Sie richteten sich auf die Hinterbeine auf, weil sie so einen besseren Überblick hatten und anschleichende Raubtiere in der offenen Landschaft eher entdeckten. Aus diesen Gruppen in den Savannen entstand schließlich der Mensch. Die Schimpansen aber blieben im Kronendach des Regenwaldes. Seit dieser Zeit – so die konventionelle Meinung – hätten sich die beiden Arten kaum noch getroffen und sich abgesehen von Ausnahmefällen auch nicht mehr miteinander gepaart.

Heute beobachten Forscher wie Michael Hofreiter vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (Eva) in Leipzig ein ähnliches Beispiel der Artbildung bei den Bären Nordamerikas. Vor nicht einmal 200 000 Jahren tappte noch ein „Urbär“ durch die heutigen USA.

Als das Eis während einer Kaltzeit auf dem Vormarsch war, spezialisierte sich ein Teil seiner Nachfahren auf diesen neuen Lebensraum und jagt seither von Eisschollen aus Robben. Anders als die Eisbären aber blieben die ebenfalls von Urbären abstammenden Braunbären in den Wäldern. In Zoos paaren sich beide Bärenarten wohl mangels Alternativen recht häufig miteinander. In der Natur dagegen passiert das fast nie, obwohl sich Braun- und Eisbären im Norden Kanadas häufig begegnen.

Ähnlich ging es nach bisheriger Lehrmeinung auch den ersten Menschenarten: Einmal in der Savanne eingelebt, traf man Schimpansen eher selten am Waldrand und ignorierte sie weitgehend. Nur ausnahmsweise hätten sich die beiden Arten einmal miteinander eingelassen.

„Während der Artbildung geschah etwas sehr Ungewöhnliches", sagt dagegen David Reich. Anders als frühere Untersuchungen hat sein Team nicht das gesamte Erbgut der Arten miteinander verglichen, sondern nur einzelne zu einander passende Abschnitte.

Manche dieser Erbgut-Abschnitte zeigen zwischen Mensch und Schimpanse erheblich mehr Veränderungen als andere. Das X-Chromosom zum Beispiel, das bei Menschen und Schimpansen das Geschlecht festlegt, hat sich recht wenig verändert und scheint daher 1,2 Millionen Jahre jünger als der Durchschnitt des restlichen Erbgutes zu sein. Andere Abschnitte des Erbgutes sehen dagegen deutlich älter aus.

Das sei dadurch zu erklären, sagt der MIT-Forscher, dass sich Mensch und Schimpanse auch nach der Trennung der Arten wohl vier Millionen Jahre lang relativ häufig miteinander gepaart hätten. Und weil dabei Erbeigenschaften nach dem Zufallsprinzip weiter gegeben werden, sei so ein Muster aus anscheinend verschieden alten Erbanlagen entstanden. Wahrscheinlich erst vor weniger als 5,4 Millionen Jahren hätten die Individuen beider Arten dann das Interesse aneinander endgültig verloren.

Genau diese vier Millionen Jahre lange Übergangszeit mit häufigen Paarungen zwischen den Arten macht Max-Planck-Forscher Hofreiter skeptisch. Warum sind beide Arten in dieser Zeit nicht wieder zu einer einzigen Art miteinander verschmolzen, wenn doch Erbeigenschaften so eifrig ausgetauscht wurden? Eine Antwort darauf weiß auch David Reich nicht und spricht daher von einem „sehr ungewöhnlichen“ Ereignis.

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