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Gesundheit: „Kampagne lanciert“

Böser Brief (2): Flierl beschwert sich bei Wowereit über Sarrazin

Von U. Schlicht, A. Burchard

und A. Kühne

Als Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gestern nach seinem Oster-Urlaub ins Amt zurückkehrte, erwartete ihn eine Menge Ärger. Es ist der geballte Verdruss der Universitäten über immer neue Sparvorgaben, und es sind die drastischen Maßnahmen, mit denen die Hochschulen darauf reagieren wollen: flächendeckender Numerus Clausus oder gar Zulassungsstopp. Am Wochenende kam aus der Sicht der Universitäten ein neues Ärgernis hinzu: Sarrazin soll, wie berichtet, planen, ab 2005 allgemeine Studiengebühren einzuführen. Dieses Geld soll nicht – wie von den Präsidenten der Humboldt- und der Freien Universität gewollt – in deren Etat gehen, sondern ins Berliner Haushaltsloch. Und schließlich ist Wissenschaftssenator Thomas Flierl bei der Auseinandersetzung mit dem Finanzsenator zum zweiten Mal in die Offensive gegangen.

Nachdem Flierl einen geharnischten Brief an Sarrazin geschrieben hatte (siehe Tagesspiegel vom 23. und 24. April), beschwert er sich jetzt beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit über den Finanzsenator. Sarrazin habe in den letzten Wochen verstärkt eine „Kampagne gegen die Berliner Hochschulen lanciert“, schreibt Flierl in einem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Der Senator konfrontiere die Hochschulen mit einer von allen Fachleuten „als völlig indiskutabel eingeschätzten Studie der Unternehmensberatung Roland Berger”, nach der in den Hochschulen ohne Gefährdung von Studienplätzen 200 Millionen Euro eingespart werden könnten. Sarrazin unterlaufe damit „in eklatanter Weise” das unter den Senatoren verabredete Verfahren, Diskussionen über Einsparungen zuerst im Senatskollegium zu führen und dann an die Öffentlichkeit zu gehen. Ähnlich sei Sarrazin vorgegangen, als er von den drei kleinen künstlerischen Hochschulen und der Universität der Künste einen Sparbeitrag in Höhe von 40 Millionen Euro verlangt habe.

Durch dieses Verhalten erschwere es der Finanzsenator „außerordentlich”, dass bei der Senatsklausur über die mittelfristige Finanzplanung am 19. Mai möglichst einvernehmlich zu treffende Entscheidungen gefällt werden könnten. Außerdem habe die öffentliche Diskussion, die durch Sarrazins Vorschläge entbrannt sei, dem „Hochschulstandort Berlin in einer unverantwortlichen Weise geschadet”.

Wissenschaftssenator Flierl weist in seinem Schreiben an Wowereit darauf hin, dass er sich in außerordentlich ergebnisorientierten Vertragsverhandlungen mit den Hochschulen befinde. Bisher sei es ihm gelungen, einen Abbruch der Verhandlungen über die Fortschreibung der Hochschulverträge für die Jahre 2006 bis 2009 zu verhindern. Sollte es nicht zu einer kurzfristigen Klärung der Frage kommen, in welchem Umfang die Universitäten ihren Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts leisten müssten, sehe er den Dialog „als in höchstem Maße gefährdet an”. Die Universitäten hatten in der vergangenen Woche mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht. In dem Brief heißt es weiter: „Ein Scheitern der Verträge als Steuerungsinstrument zwischen Staat und Hochschulen würde nicht nur in Berlin, sondern bundesweit als ein hochschulpolitisches Desaster dieser Regierung gewertet werden, von den Auswirkungen auf den Hochschulstandort Berlin selbst ganz zu schweigen.”

Flierl betont, dass die Universitäten einen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts erbringen müssten, „der sich in einer realistischen Größenordnung bewegen muss.” Darüber sei er sich mit den Leitern der Hochschulen einig. „Die Entscheidung darüber müssen wir mit Augenmaß und in Verantwortung für die Zukunft des Landes treffen; dieser Beitrag muss realisierbar und damit vermittelbar sein. Nur so wird es uns gelingen, die Konsolidierung des Landeshaushaltes voranzubringen und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit Berlins zu sichern.”

Sarrazins Sprecher Claus Guggenberger sagte zu dem Brief: „Wer Ausgabenkürzungen in ausreichendem Maße verweigert, muss inhaltliche Alternativen anbieten.“ Zu den offenbar geplanten allgemeinen Studiengebühren wollte sich Guggenberger nicht äußern und verwies auf die Senatsklausur im Mai. Aus der Wissenschaftsverwaltung hieß es gestern zur aktuellen Diskussion um Studiengebühren: „Es gilt der Koalitionsvertrag.“ Und der schließe Gebühren kategorisch aus.

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