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Gesundheit: Kein Strohfeuer

Karlsruher Forscher entwickeln ein Verfahren, mit dem sich Pflanzen zu Biosprit verflüssigen lassen

Am Forschungszentrum Karlsruhe haben Wissenschaftler ein Verfahren entwickelt, mit dem trockene Biomasse wie Holz oder Stroh zu Sprit verarbeitet wird. „Unser Vorhaben ist einmalig, es gibt nirgendwo sonst etwas vergleichbares“, sagt der Projektleiter Edmund Henrich vom Institut für technische Chemie des Forschungszentrums.

Das von den Karlsruher Forschern entwickelte „Bioliq“-Verfahren löst ein altes Problem: Wie gewinnt man die in der Biomasse steckende Energie mit wenig Aufwand? Stroh und Holz fallen in der Landwirtschaft zwar zuhauf an, haben aber einen niedrigen Brennwert. Es lohnt nicht, sie zwecks Energiegewinnung über große Strecken zu transportieren – der Aufwand für den Transport wäre höher als der erzielte Nutzen. Deshalb mussten die Forscher eine Methode erfinden, mit der sich der Energiegehalt des Pflanzenmaterials konzentrieren lässt.

„Wir verflüssigen die Biomasse“, erklärt Nicolaus Dahmen, der den Bau der Versuchsanlage leitet. Zunächst werden Holz und Stroh unter Luftabschluss mit großen Mengen heißen Sandes vermengt, wodurch sie sich sehr rasch auf 500 Grad Celsius erhitzen. Unter diesen Bedingungen verwandeln sie sich in ein Gemisch aus flüssigem Teer und Koks, in der Sprache der Forscher ein „Slurry“ (Schlamm).

Dessen Energiedichte liegt zehnfach über der von Stroh und ist mit jener von Rohöl vergleichbar. Das macht es wirtschaftlich vertretbar, den „Slurry“ über große Entfernungen zu transportieren, und zwar zu einer zentralen Anlage, wo er weiterverarbeitet wird. Dort erhitzen die Forscher den Slurry auf 1200 Grad und setzen ihn einem Druck von bis zu 80 Atmosphären aus. Teer und Koks verwandeln sich in ein gasförmiges Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, ein Synthesegas.

Aus dem Synthesegas lassen sich alle wichtigen organisch-chemischen Grundstoffe erzeugen. Die Karlsruher Wissenschaftler wollen zunächst Methanol herstellen und dieses dann zu synthetischen Kraftstoffen weiterverarbeiten. Der Preis für einen Liter eines solchen Kraftstoffs liegt bei etwa einem Euro. „Das Gute ist vor allem, dass man maßgeschneiderten Sprit erzeugen kann, der kaum Verunreinigungen enthält. Zusammensetzung und Klopfzahl des Treibstoffs lassen sich vorgeben“, sagt Henrich. VW und Daimler-Chrysler bereiten schon Motorentests vor.

Doch ist es noch zu früh, um in Euphorie zu verfallen. „Unsere Versuchsanlage geht frühestens 2008 in Betrieb und ist noch zu klein, um wirtschaftlich zu sein“, sagt Dahmen. Wenn alles komplett installiert ist, kann die Anlage pro Stunde 500 Kilogramm Biomasse zu siebzig Kilogramm Biosprit umsetzen. Das ist bei weitem nicht konkurrenzfähig. „Der Gesamtspritverbrauch in Deutschland liegt bei 60 Millionen Tonnen pro Jahr. Eine Raffinerie arbeitet erst dann wirtschaftlich, wenn sie mindestens eine Million Tonnen Kraftstoff erzeugt“, rechnet Dahmen vor. Davon sind die Karlsruher noch weit entfernt. Doch sollte sich ihr Forschungsprojekt als erfolgreich erweisen, könnte es eine groß angelegte Biokraftstoff-Industrie anstoßen. Chinesische Firmen zeigten sich bereits interessiert.

„Wir schätzen, dass sich mit unserer Technik bis zu zehn Prozent des Kraftstoffbedarfs in Deutschland abdecken lassen“, sagt Henrich. Würde die Landwirtschaft großflächig umstrukturiert, wäre auch ein höherer Anteil möglich. Nicht zu unterschätzen sei, dass die Erzeugung von Kraftstoff aus trockener Biomasse den Bauern eine zusätzliche Einnahmequelle biete. Denn irgendwer muss das Holz oder Stroh ja einsammeln. Für das Versuchsprojekt am Forschungszentrum Karlsruhe wird es eine Absprache mit den ortsansässigen Bauern geben. Wer eine Tonne Stroh oder Holz abliefert, soll 70 Euro bekommen. Für einen Landwirt, der überschüssiges Stroh oder Holzreste loswerden will, durchaus ein Nebenverdienst.

Die Karlsruher Bioliq-Technik könnte sich gegenüber herkömmlichen Methoden zur Biosprit-Erzeugung als vorteilhaft erweisen. Bisherige Verfahren gewinnen den Kraftstoff vor allem aus Energiepflanzen: Raps, Zuckerrohr, Zuckerrüben, Weizen oder Palmen. Dabei lässt sich nur ein kleiner Teil der Pflanze verwerten, die Kraftstoffausbeute ist relativ gering. Um nennenswerte Erträge zu erzielen, muss man die Energiepflanzen massenhaft anbauen und ernten, teilweise mehrmals im Jahr.

Hat das Verfahren eine große Zukunft? „Früher wären wir mit unserem Biokraftstoff nicht konkurrenzfähig gewesen. Jetzt, angesichts steigender Benzinpreise, ändert sich das“, sagt Henrich.

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