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Puppe statt Kind. Maria Harke und Emily Candelario üben sich im Babysitterkurs des DRK. Foto: Björn Kietzmann

© Björn Kietzmann

Kinderpflege-Kurse: Windeltraining für angehende Babysitter

Für viele junge Menschen ist Babysitten der erste Job. Das Deutsche Rote Kreuz bereitet Jugendliche in Kursen auf die verantwortungsvolle Arbeit vor. Denn im Ernstfall müssen die Teenager schnell reagieren können.

Bevor das Kind gebadet werden soll, blickt Emily Candelario noch einmal schnell auf ihre Notizen. 37 Grad, keine Badezusätze. Die 14-Jährige fädelt ihre linke Hand zwischen die Unterschenkel ihrer Puppe und stützt mit ihrer rechten Hand vorsichtig den Kopf. Als Babysitterin möchte sich Emily in Zukunft neben der Schule etwas dazuverdienen. Erfahrung mit kleinen Kindern hat sie noch nicht. Sie ist hier im Kurszentrum des Deutschen Roten Kreuzes in Schmargendorf, um auf den Sprung in das kalte Wasser gut vorbereitet zu sein.

Bei dem Babysitterkurs lernen Jugendliche ab 14 Jahren an einem Wochenende die Grundlage von Kindesentwicklung, Ernährung und Pflege. Sie werden mit Stoffwindel und Wegwerfprodukt wickeln und die Temperatur einer Folgemilchpulvermischung aus dem Fläschchen an ihrem Handrücken oder am Handgelenk testen. Sie werden lernen, dass lange Halsketten mit Anhängern, wie sie drei der sieben Teilnehmerinnen tragen, mit kleinen Kindern schnell zum Verhängnis werden. Emilys Puppe liegt schon in ein Kapuzenhandtuch gewickelt vor ihr auf dem Tisch, da schüttelt ein anderes Mädchen noch an ihrer Puppe und wringt. Durch eine Körperöffnung ist irgendwie Wasser ins Innere gekommen, die Kursleiterin mahnt, gut zu trocknen, weil es sonst schimmelt im Schrank.

„Baby schreit, was tun?“ steht auf einer gelben Karte an der Stellwand, an der die Jugendlichen ihre Fragen für den Kurs aufgeschrieben haben. Erfahrungen als Babysitterin hat an diesem Wochenende noch keine. Diskussionen über Milchreis und die Frage, wie viele Plüschtiere mit ins Bett dürfen, zeigen, dass die eigene Kindheit noch nicht ewig lang her ist.

„Man kann bei kleinen Kindern in der Tat so einiges falsch machen“, sagt Ella Köhl vom Deutschen Roten Kreuz, die die Babysitterkurse leitet. Den Kopf nicht ausreichend zu stützen, zu fest zu wickeln oder bei An- und Ausziehen die Finger zu überstrecken zum Beispiel. Den größten Stress bedeute es im Babysitteralltag allerdings, sagt Köhl, wenn ein Kind schreit und man nicht weiß, wieso.

Vorbereitung für den Ernstfall

Im Kurs lernen die Babysitteranfänger, was zu tun ist: Vor allem, dass vorschnelle, hektische Reaktionen alles noch schlimmer machen. Wenn ein Säugling schreit, empfiehlt Ella Köhl, zu allererst Ruhe zu bewahren und Kontakt mit dem Kind herzustellen. Es anzusehen, das Händchen zu halten und schrittweise durchzugehen, woran es liegen könnte. Ob das Gebrüll am Problem „volle Windel“ liege, lasse sich durch Riechen einfach klären. Überreizung durch Lärm oder helles Licht oder ein Abweichen vom sonstigen Rhythmus werden als mögliche Ursachen hingegen leichter übersehen. Während Köhl spricht, legt sie ihre Hände behutsam auf das Bäuchlein von Vorzeigepuppe Paul vor ihr auf dem Tisch. Paul gibt keinen Mucks von sich. Unterrichtspuppen, die schreien oder weinen, kosten um die 800 Euro.

„Je vertrauter ich bin, desto mehr Vertrauen bekomme ich“, sagt Ella Köhl. Babysitter müssen sich schnell im Leben einer bislang unbekannten Familie zurechtfinden. Ella Köhl erklärt, was dabei zu berücksichtigen ist: Wer hat welche Allergien, wo finde ich Ersatzkleidung, und wo liegt der Wohnungsschlüssel? Auch, wie die Familie selbst organisiert ist, wer dazugehört und wer in die Wohnung darf, ist von Familie zu Familie sehr unterschiedlich. Welche Rituale gibt es beim Baden und beim Schlafengehen? Und was hilft dem Kind, wenn mal eine Träne fließt? Gute Absprachen braucht es nicht nur zwischen Eltern und Babysitter, sondern auch mit dem Kind, sobald es etwas reden kann. Sonst kann es passieren, dass ein Eineinhalbjähriger 90 Minuten weinend seinem Lieblingsplüschtier zusieht, wie es durch die Waschmaschine treibt.

Um sich kennenzulernen, sollten alle Beteiligten genug Zeit einplanen. Dass Vater oder Mutter eines fremdelnden Kindes nach wenigen Minuten „Übergabe“ ungestört im Nebenraum arbeiten kann, funktioniert in den meisten Fällen nicht. Kann das Kind aber beobachten, wie sich zwischen Elternteil und Babysitter eine Beziehung aufbaut, nimmt der Babysitter in sicherem Rahmen das Lieblingsspielzeug in die Hand, geht vieles einfacher.

Auf den Ernstfall müssen Babysitter trotzdem immer vorbereitet sein. Dazu gehören Kenntnisse über Erste Hilfe und über die Aufsichtspflicht der Jugendlichen gegenüber den Kindern. Babysitter sollten sich auch informieren, ob die private Haftpflichtversicherung ihrer Eltern für Schäden aufkommt, die während des Babysittens entstehen. Bevor es richtig losgeht, empfiehlt Köhl, probeweise auf bekannte Kinder, etwa aus dem Freundeskreis der Eltern, aufzupassen. Besser erst ein Kind statt zwei, besser erst eine Stunde lang statt gleich die ganze Nacht.

Emily Candelario hat vor, mit Kindern zwischen drei und fünf Jahren anzufangen. Bei Babys sei sie doch noch unsicher, etwas falsch zu machen. „Säuglinge sind eher anstrengend, Kleinkinder nerven eher nur“, sagt sie leise.

Die Babysitterkurse des Deutschen Roten Kreuzes finden sie hier.

Die nächsten Babysitterkurse finden am 16./17. Februar und am 27./28. April jeweils von 9 bis 17 Uhr statt. Adresse: DRK KV Schöneberg-Wilmersdorf e.V., Kranzer Str. 6-7, 14199 Berlin. Kosten: 35 Euro. Nähere Informationen unter Tel. 688319861 .

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