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Gesundheit: Klimagipfel: Das Gute im Schlechten

Auf der Landkarte der Klimaforscher sind Brandenburg und Berlin kaum größer als ein Fliegenschiss. Auch wenn es inzwischen gelingt, relativ verlässliche Prognosen über den zukünftigen Temperaturanstieg zu machen, so ist doch weit weniger klar, was das für die jeweiligen Regionen bedeutet.

Auf der Landkarte der Klimaforscher sind Brandenburg und Berlin kaum größer als ein Fliegenschiss. Auch wenn es inzwischen gelingt, relativ verlässliche Prognosen über den zukünftigen Temperaturanstieg zu machen, so ist doch weit weniger klar, was das für die jeweiligen Regionen bedeutet. "Um lokal verlässliche Aussagen über Veränderungen zu machen, sind die Klimamodelle einfach zu groß skaliert", sagt der Hamburger Klimaforscher Hans von Storch. Und so führte er kürzlich an der Humboldt-Universität zwei Modelle vor, die hinsichtlich der Auswirkungen der Klimaveränderungen auf Berlin und Brandenburg zu zwei komplett unterschiedlichen Ergebnissen kam: Ein Modell prognostiziert zehn Prozent mehr, das andere zehn Prozent weniger Niederschlag für die Zukunft.

Trotzdem spielen die beiden Bundesländer in Sachen Klima eine Rolle. Denn darüber sind sich die Forscher einig: Nur wenn es gelingt, die Regionen beim Klimaschutz global zu koordinieren, hat man Chancen, den Haupterwärmungsfaktor - den Kohlendioxidausstoß - wirksam zu bekämpfen.

Hierbei sind Berlin und Brandenburg aber auf unterschiedlichen Wegen: In der Hauptstadt sind die über den Energieverbrauch berechneten CO2

Emissionen von 1990 bis 1998 um 17,4 Prozent zurückgegangen. Den neuen, noch nicht offiziell bestätigten Zahlen zufolge liegt die Stadt zurzeit bei etwa 19 Prozent Reduzierung. Die Ursache für den über dem Bundesdurchschnitt liegenden Rückgang ist das Wegbrechen der Industrie - nicht nur im Ostteil der Stadt.

Heizungen erneuert

Aber Gerd Boström vom Klimaschutzreferat der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betont, dass das nicht der einzige Grund ist: "Berlin hat in den 90ern auch eines der umfangreichsten Modernisierungsprogramme für Wohnraum aufgelegt." 400 Millionen Mark sind in die Erneuerung von Heizungen insbesondere im Ostteil der Stadt geflossen. Dazu kam von 1990 bis 1995 eine Millarde Mark jährlich für Wohnungsrenovierungen. Etwa 20 Prozent des Geldes sei in "klimarelevante" Modernisierungen geflossen, schätzt Boström.

Etwas anders sieht es hingegen in Brandenburg aus. Hier hatte man den Kohlendioxid-Ausstoß von 1990 bis 1997 schon um 40 Prozent reduziert und damit die erst für 2010 anvisierte Zielmarke von 52,5 Millionen Tonnen C02-Emission schon fast erreicht. Was die Herzen der Umweltpolitiker höher schlagen lässt, hatte auch hier unangenehme Ursachen: "Grund für den Rückgang war vor allem der Zusammenbruch der Schwerindustrie in Brandenburg", sagt Dieter Seidler, Leiter des Referats für Emissionsschutz im brandenburgischen Umweltministerium. Und so geht auch der sprunghafte Anstieg der Emissionen von 14 Prozent im Jahr 1998 auf eine positivere Wirtschaftsentwicklung zurück - und hängt auch damit zusammen, dass die brandenburgischen Kraftwerke Strom exportieren.

Zwar waren im Vergleich zu 1990 immer noch 32 Prozent weniger CO2-Emissionen zu verzeichnen - eine zum Bundesdurchschnitt von nur 13 Prozent immer noch stolze Zahl. Nur: der Trend in Brandenburg ist wieder steigend. Denn nach einer Prognos-Studie vom November 2000 werden die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 wieder auf 65 Millionen Tonnen wachsen und dann nur noch um rund 30 Prozent unter den Werten von 1990 liegen. "Wenn wir diesen Trend nicht in den Griff bekommen, stehen wir schlecht da", meint Seidler.

Die bisher insgesamt positive Bilanz geht jedoch nicht nur auf die Rechnung der krankenden Wirtschaft, sondern hängt auch in Brandenburg mit den Fördermitteln zum Wohnungsbau zusammen, die durch das Land vergeben wurden. Mit Hilfe von Landesgeldern wurden etwa 350 000 Wohnungen renoviert, Heizungsanlagen erneuert und Wände sowie Fenster und Dächer gedämmt. Der Energieverbrauch pro Quadratmeter sank um 60 Prozent. Außerdem ist auch bei den Kraftwerken ein "guter neuer Stand" erreicht, wie Seidler sagt.

Er hält auch an dem Ziel fest, auf lange Sicht fünf Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Pro Kopf gerechnet sei Brandenburg bei der Photovoltaik schon heute auf Platz zwei in der Republik. Und obwohl es kein Küstenland ist, liegt man bei der Windenergie - in absoluten Zahlen - auf Platz fünf.

Doch auch wenn beide Länder im Vergleich zu ganz Deutschland gut dastehen, so sind die Zeiten der großen jährlichen Emissionsreduzierungen doch vorbei. Zudem wirkt sich negativ aus, dass der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr kontinuierlich steigt - trotz Ökosteuer und steigender Benzinpreise. "Es wird schwierig, die letzten sechs Prozent Emissionsreduzierung bis 2010 zu erreichen, weil der Verkehr nicht in den Griff zu kriegen ist", sagt Boström für Berlin.

Er hofft auf die Wirkung der jüngst getroffenen Vereinbarung zur Kraft-Wärme-Kopplung sowie anderer Regelungen zur Energieeinsparung, die noch in der Beratung sind. "Wenn das zahnlose Tiger bleiben, wird es schwer werden, bundesweit die angestrebten 25 Prozent Verringerung der Emissionen zu erreichen."

Kontrakte fürs Klima

Was kann also noch getan werden, um in der Region weniger klimabelastendes Kohlendioxid in die Luft zu blasen? Für Boström ist die "Energiepartnerschaft Berlin" ein vielversprechendes Modell. Dort geht es um das Energiecontracting. Das heißt, dass ein Unternehmen von außerhalb ein Energiesparkonzept für öffentliche oder private Gebäude entwickelt und entsprechende Investitionen tätigt, die dann mit einer Art Benutzungsgebühr abgegolten werden.

Bisher klappt das aber nur im öffentlichen Sektor. So gibt es in Berlin schon mehr als 200 Gebäude, bei denen ein Privatinvestor energiesparende Umwandlungen vornimmt. Obwohl Berlin Rahmenbedingungen geschaffen habe, reagiere das Privatkapital aber noch sehr zögerlich auf diese neue Art von Geld- und Energiesparkonzepte.

Seidler sieht für Brandenburg noch großes Potenzial bei Energieeinsparungen im Privatsektor. Etwa zwei Drittel der Lampen in Privatwohnungen seien keine Energiesparlampen. Und immer noch werden viel zu viele Stand-by-Schaltungen bei elektronischen Geräten benutzt, die auch im Ruhezustand Strom verbrauchen. Als armes Land habe man aber leider "kein Geld, um eine gut ausgestattete Energieberatung für die Bürger einzurichten", sagt Seidler. Statt großer Programme müsse man das Energiesparen allmählich mit Informationsangeboten durchsetzen. Berlin und Brandenburg sind auf der Landkarte der Klimaforscher zwar nur kleine Flecken - aber auch hier wird immer noch genug in die Luft geblasen.

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