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Die beste Klinik finden. Manche Hygieniker fürchten dass Krankenhäuser, die alle Infektionen korrekt erfassen und veröffentlichen, Patienten verlieren könnten.

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Klinikhygiene: Saubere Sache

Eine Veröffentlichung von Daten zur Klinikhygiene ist wünschenswert – und sie ist möglich, wie Erfahrungen aus Berlin zeigen.

Die Ängste bei den Klinikhygienikern sind offenbar groß: Auf heftige Abwehr bei vielen von ihnen stößt die Bitte, Daten zu Krankenhausinfektionen zu veröffentlichen. Diese Zahlen seien für Laien unverständlich, sie würden zu falschen Schuldzuweisungen führen und – als schlimmste Folge – eine Veröffentlichung könnte das Meldesystem für Klinikinfektionen zum Einsturz bringen.

Die Daten selbst gibt es. Seit Jahren erhebt das Beobachtungssystem für Krankenhausinfektionen (KISS) von immer mehr Kliniken und zu immer mehr Therapieverfahren Angaben darüber, ob und wie es dabei zu Infektionen im Krankenhaus kam. Beispielsweise, ob antibiotikaresistente Keime aufgetreten sind oder Harnwegsinfektionen durch den Einsatz von Blasenkathetern. Dazu zählt auch der Verbrauch von Händedesinfektionsmitteln oder der Anteil der neu aufgenommenen Patienten, die auf „schlummernde“ Infektionen getestet wurden, die für andere Patienten in der Klinik zu einer Gefahr werden könnten.

Solche Werte sind für Patienten wie auch für einweisende Ärzte von großem Interesse. Denn im Krankenhaus erworbene Infektionen sind ein Problem, dem man als Kranker besser aus dem Weg gehen sollte. Schwere Komplikationen und ein unmäßig verlängerter Klinikaufenthalt können die Folge sein. Eine Vergleichsmöglichkeit ist also wünschenswert, um das beste Krankenhaus finden zu können.

Gründe, diese Daten zu veröffentlichen, gäbe es also. Aber wie sieht es aus mit den Gründen, die Hygieniker gegen ein Public Reporting ins Feld führen?

Faire Aufbereitung der Daten ist machbar

Da ist zum einen die Laienverständlichkeit. In der Tat sind Angaben zur Inzidenz von Infektionen pro 1000 Patiententage oder die Aussagekraft des Verbrauchs von Händesdesinfektionsmitteln in Millilitern pro Patiententag eine Herausforderung für Nichtmediziner. Nur, solche Daten können Medien in Zusammenarbeit mit Experten aufbereiten. Schließlich ist die Übersetzung von Fachwissen einer ihrer Hauptjobs.

Das Argument, dass das Krankenhaus, das alle Infektionen korrekt erfasst und viele Patienten auf Infektionen screent, vermeintlich schlechter dasteht als ein Haus, das sehr viel lascher mit dem Thema umgeht, ist nicht von der Hand zu weisen. Es müssen also Datenerhebungsverfahren eingeführt werden, die eine Risikobereinigung ermöglichen. Dass so etwas machbar ist, zeigen die Indikatoren der Externen Qualitätssicherung der Krankenhäuser. Hier werden Daten zu Komplikationen, Wundinfektionen oder zur Sterblichkeit gesammelt und veröffentlicht. Und immer mehr dieser Indikatoren berücksichtigen rechnerisch, dass die Krankenhäuser Patienten mit unterschiedlich schweren Erkrankungen versorgen. Diese Risikoadjustierung genannte faire Aufbereitung der Daten sollte auch bei der Hygiene machbar sein.

Und schließlich das gewichtigste Gegenargument: Die Daten wurden bisher vertraulich erhoben, das heißt, die Krankenhäuser, die sich freiwillig an KISS beteiligen, konnten sicher sein, dass ihre Zahlen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Sollten sie nun doch öffentlich werden, könne es sein, dass die Häuser nicht mehr ganz so ehrlich meldeten. Auch das ist ein ernstzunehmendes Argument. Und eines, dass schon bei der Diskussion um eine Veröffentlichungspflicht der Daten der Externen Qualitätssicherung eine Rolle spielte. Denn auch dieses System war bis dato vertraulich. Seit Jahren müssen diese Auswertungen in den Qualitätsberichten der Kliniken veröffentlicht werden. Eine massenhafte Fälschung ist bisher nicht bekannt geworden.

Eine Veröffentlichung ist keine Selbstverständlichkeit

Und inzwischen gibt es ja auch erste Erfahrungen mit einer vergleichenden Veröffentlichung von Klinikhygienedaten. Im Jahr 2013 veröffentlichten der Tagesspiegel gemeinsam mit Gesundheitsstadt Berlin deutschlandweit erstmals Hygienedaten aus Krankenhäusern einer ganzen Region. Für den Klinikführer Berlin-Brandenburg 2013 stellten sich die meisten Kliniken der Region freiwillig dem Vergleich und zeigten dabei viel Mut. Von den 79 Krankenhäusern Berlins und des Brandenburger Umlandes haben 75 zumindest teilweise Daten zur Klinikhygiene zur Verfügung gestellt.

Eine solche Veröffentlichung ist keine Selbstverständlichkeit. Deshalb waren im Vorfeld der Veröffentlichung wochenlange intensive Diskussionen mit den Verantwortlichen nötig.

Dass die beteiligten Häuser, die den Mut für eine Veröffentlichung aufbrachten, dadurch Patienten verloren hätten, ist nicht bekannt geworden.

Der Klinikführer Berlin-Brandenburg 2013 kostet 12,80 Euro und ist erhältlich online unter www.tagesspiegel.de/shop oder per Telefon 030/29021-520.

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