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Gesundheit: Kollision der Kontinente

Alle 100 Jahre bebt im Kaschmir die Erde. Warum die Erschütterungen diesmal so heftig waren

Nach achteinhalb Minuten kam das Kaschmir-Erdbeben in Deutschland an. „Um 5 Uhr 59 trafen die ersten Wellen bei uns ein“, berichtet Heinrich Brasse, Geophysiker an der Freien Universität Berlin. Gemeinsam mit dem Geoforschungszentrum Potsdam betreibt die Universität eine seismologische Station in Rüdersdorf, die wiederum ein Knotenpunkt eines Netzes von mehr als 150 Stationen in Deutschland ist.

Nach jüngsten Berechnungen erreichte das Erdbeben im Norden Pakistans eine Stärke von 7,7. „Dieses Beben ist ähnlich stark wie das von Izmit 1999; damals starben über 30000 Menschen“, sagt Monika Sobiesiak, Seismologin in Potsdam.

Der Grund für diese gewaltigen Erschütterungen ist die Indisch-Australische Platte, die sich mit einer Geschwindigkeit von rund vier Zentimetern pro Jahr in die Eurasische Platte hineinbohrt und unter dieser abtaucht. In den vergangenen 45 Millionen Jahren wurde dabei der Himalaja – das größte Gebirge der Erde – aufgefaltet. Diese Bewegung verläuft keineswegs reibungslos, denn an ihren Grenzen verhaken sich die Krustenblöcke immer wieder ineinander – so wie zwei Radiergummis, deren Ränder mit Sandpapier beklebt sind.

Direkt an den Plattengrenzen kommt es zum Stillstand, doch gigantische Ströme heißen Materials im Erdmantel wirken wie riesige Förderbänder und schieben die Blöcke weiter aufeinander zu. Fernab der Plattengrenzen lässt sich diese kontinuierliche Bewegung mit moderner Satellitentechnik millimetergenau messen. Da die Platten elastisch sind, baut sich an den blockierten Rändern eine ständig wachsende Spannung in der Erdkruste auf. Irgendwann ist sie groß genug, um die Gesteinspakete zu zerreißen, die an der Plattengrenze wie ein Anker die Bewegung hemmen. Dabei können beispielsweise zwei Kieselsteine, die bislang direkt nebeneinander lagen, binnen Sekundenbruchteilen mehr als zehn Meter gegeneinander versetzt werden. Daher werden solche Gleitflächen Verwerfung oder Störung genannt.

„Im Hypozentrum, dem Ursprung des Bebens, gab es einen Versatz von etwa sechs Metern“, schätzt Monika Sobiesiak. Versatz und Länge des Risses – in diesem Falle über 100 Kilometer – zeigen die Stärke des Bebens an. Dabei gilt eine einfache Regel: Je länger die Bewegung an einer Plattengrenze verhindert wird, umso mehr Spannung wird aufgebaut und umso heftiger ist das Beben.

Das letzte große Erdbeben in dieser Region war 1905. Das heißt, dass große Beben etwa alle 100 Jahre auftreten. "Das ist gut doppelt so lange wie beispielsweise an der San-Andreas-Störung in Kalifornien beobachtet wird", sagt Siesiak.

Aus den Daten des Kaschmir-Bebens gewannen die Wissenschaftler bereits erste Ergebnisse: In den ersten zwei Tagen nach dem Hauptbeben wurden viele Nachbeben registriert, mehr als 40 von ihnen hatten eine Stärke von mindestens fünf. „Offenbar ist die Serie von Nachbeben dieses Mal sehr kurz“, sagt Sobiesiak. In drei Monaten, so schätzt sie, wird es kaum noch welche geben.

Diese kleineren Folgebeben bezeichnet die Seismologin als „Nachregulierung der Kruste“ und erklärt, dass sich die Umgebung des Bebenherds auf die neuen Spannungszustände einstellen muss. Dabei komme es entlang der Störung zu weiteren Bewegungen. Viele davon sind nicht zu spüren. „Erdstöße können von Menschen erst ab Stärke vier wahrgenommen werden“, sagt Geophysiker Brasse. Das Maß der Bebenstärke, die Magnitude, ist logarithmisch. Eine Zunahme der Magnitude um beispielsweise zwei mag nach wenig klingen. In der Realität bedeutet sie aber, dass eine tausendfach größere Energie freigesetzt wird.

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