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Kongress: Bluthochdruck nicht immer „stiller Killer“

7000 Experten treffen sich im Berliner ICC: Kopfschmerz am Morgen kann auf erhöhten Blutdruck hindeuten.

Als „Leiden“ kann man ihn streng genommen nicht bezeichnen. Denn hoher Blutdruck, Hypertonie, tut nicht weh. Er gilt als heimtückisch. Schmerzlos leistet er Herzinfarkt, Schlaganfall, geistigem Verfall und Nierenschäden Vorschub. Dem „stillen Killer“ werden sich mehr als 7000 Experten vom 14. bis zum 19. Juni im Berliner ICC beim europäischen und internationalen Kongress der Hypertonie-Fachgesellschaften widmen.

Vor dieser medizinischen Großveranstaltung bezeichnete Detlev Ganten, Charité-Vorstandsvorsitzender und Präsident des Kongresses, gestern den Bluthochdruck als eine Volkskrankheit, an der sich zeigen lasse, wohin die zukünftige Entwicklung der Medizin gehen müsse: „Wir haben es hier mit einer komplexen Krankheit zu tun, bei der Gene und Umwelt zusammenwirken, die aber einfach zu messen und gut zu behandeln ist. Und mit einer Krankheit, gegen die Vorbeugung wirkt.“

Seit den 50er Jahren gibt es Medikamente, die den Blutdruck senken. Nachdem die Neuentwicklungen sich einige Jahrzehnte lang jagten, sei man im Augenblick in dieser Beziehung „in einer Delle“, sagte Thomas Unger, Leiter des Instituts für Pharmakologie der Charité und Vizepräsident des Kongresses. Er wünscht sich vor allem Substanzen, die die Organschäden, etwa an der Niere, wirkungsvoller verhindern können.

Doch ab wann muss behandelt werden? Jeder zweite Bundesbürger über 60 hat einen Blutdruck über 139 zu 89 mmHg – der Grenze, von der ab die Experten heute von einer milden Hypertonie sprechen. „Wir wissen, dass mit dem Blutdruck auch das Risiko für Krankheiten an Herz und Blutgefäßen steigt“, sagte Rainer Düsing von der Uniklinik in Bonn. Die Kontinuität dieses Anstiegs gebe den Empfehlungen für Grenzziehungen auch etwas Willkürliches. „Die Zukunft der Hypertoniebehandlung wird mehr und mehr durch Eingehen auf das individuelle Risiko des Patienten geprägt sein“, vermutet Unger. Die Behandlung ist schließlich kein Selbstzweck.

Doch daran mag kaum ein Mensch mit erhöhtem Blutdruck täglich denken. Deshalb hapert es bei den Hochdruckmitteln besonders stark am Einnahme-„Gehorsam“. Eine Impfung, die man nur alle paar Wochen beim Arzt bekommt, könnte ihn verbessern. Das Konzept ist jedoch durchaus riskant, und das nicht nur wegen zu befürchtender Nebenwirkungen der Impfung. Es könnte auch unabsehbare Folgen haben, das entwicklungsgeschichtlich alte System, mit dem Salz im Körper zurückgehalten wird, langfristig zu beeinflussen.

Ganten plädierte überhaupt für eine evolutionäre Sicht auf den Bluthochdruck. „Für Jäger und Sammler war es ein Vorteil, Salz aus der Nahrung im Körper zurückzuhalten“, sagte der Hochdruckforscher. Salz kann den Blutdruck erhöhen. Heute sehen schon Kinderärzte mitunter die Folgen des hohen Blutdrucks.

Nicht immer ist der „stille Killer“ wirklich lautlos. Eine Studie bei Patienten mit erhöhtem Blutdruck zeigte, dass fast die Hälfte der Betroffenen in den Morgenstunden unter Kopfschmerzen leiden und viel häufiger als Menschen mit normalem Blutdruck über Schwindelgefühle berichten.

Adelheid Müller-Lissner

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