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Gesundheit: Kühler Späher im All

Mit einem neuen Weltraumteleskop halten Astronomen nach kalten Himmelskörpern Ausschau

Von Rainer Kayser, dpa

Seit fünf Jahren sind die Astronomen auf einem Auge blind. Damals stellte der letzte große Infrarotsatellit seinen Betrieb ein. Nun will die amerikanische Weltraumbehörde Nasa den Himmelsforschern wieder den Blick in die kühleren Regionen des Kosmos ermöglichen: Am Montag fliegt ein neues Gerät, die „Space Infrared Telescope Facility“, ins All. „Das Alte, das Kalte und das Schmutzige" soll der neue Satellit mit dem bislang besten Infrarot-Teleskop an Bord beobachten, sagt Michael Werner, der als Wissenschaftler an der Mission beteiligt ist.

Das Alte: Weit über zehn Milliarden Jahre können Astronomen mit dem Teleskop in die Vergangenheit blicken, in jene Zeit, in der in unserem Kosmos die ersten Sterne entstanden. „Mit dem Satelliten wollen wir herausfinden, wie und wann sich die ersten Sterne gebildet haben, und wie ihre chemische Zusammensetzung war", erklärt die Nasa-Forscherin Anne Kinley. Durch die Expansion des Weltalls hat sich auch die Wellenlänge des Sternenlichts auf seinem langen Weg zu uns gedehnt: statt im kurzwelligen Ultraviolett sehen wir die jungen, heißen Sterne daher im langwelligen Infrarot am hellsten.

Die Suche nach den Braunen Zwergen

Das Kalte: In unserer näheren kosmischen Umgebung fangen auch die kühlen Himmelskörper, Planeten, Monde und Asteroiden, Sonnenlicht ein und geben die Wärme wieder als Infrarotstrahlung ab. Ein besonderes Augenmerk soll der Satellit auch auf „Braune Zwerge“ richten: Objekte, deren Masse nicht ausreicht, um in ihnen das Feuer der Kernfusion zu entzünden. Wo genau die Trennlinie zwischen diesen verhinderten Sternen und den Planeten verläuft, wissen die Astronomen bislang nicht. „Wenn wir verstehen, wie Braune Zwerge entstehen, dann lernen wir zugleich etwas darüber, wie sich Planetensysteme bilden", sagt Werner.

Schließlich das Schmutzige: Dichte Staubwolken verbergen oft die Entstehung von Sternen und Planeten vor den neugierigen Blicken der Astronomen. Doch für langwellige Infrarotstrahlung sind die Staubwolken durchsichtig. Das Infrarotteleskop erlaubt es den Wissenschaftlern also, einen Blick in die Kinderstube der Sterne zu werfen.

Infrarote Strahlung lässt sich zwar genau wie Licht mit einem Hohlspiegel bündeln und dann mit elektronischen Detektoren empfangen. Doch es gibt ein Problem, das den Infrarot-Astronomen zu schaffen macht: Ein warmes Teleskop sendet selbst Infrarotstrahlung aus, und diese stört die empfindlichen Messgeräte bei der Beobachtung. Die Situation ist so misslich wie bei einem Fernrohr, das man von innen heraus beleuchten würde.

Um die infrarote „Innenbeleuchtung“ abzuschalten, muss das Weltraumteleskop auf wenige Grad über dem absoluten Temperatur-Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius gekühlt werden. Technisch ist diese Kühlung kein Problem. Doch sie begrenzt die Lebensdauer eines Infrarot-Fernrohrs im Weltall: Irgendwann ist der Vorrat an Kühlmittel, zumeist flüssiges Helium, verbraucht. Gerade was die Lebensdauer angeht, soll der neue Satellit seine Vorgänger jedoch weit übertreffen. Dabei hat er nur 360 Liter flüssiges Helium an Bord. Zum Vergleich: Beim Vorgängersatelliten waren es noch 2286 Liter!

Trotzdem hoffen die Forscher, dass das Infrarotteleskop länger als fünf Jahre in Betrieb bleibt. Dieses ehrgeizige Ziel wollen sie vor allem durch die geschickte Wahl der Umlaufbahn des Satelliten erreichen. Im Gegensatz zu den bisherigen Infrarotsatelliten soll das neue Teleskop nicht die Erde umkreisen, sondern dem Globus mit langsam wachsendem Abstand auf seiner Bahn um die Sonne folgen. Um rund 15 Millionen Kilometer entfernt sich der Satellit dabei pro Jahr von der Erde.

Der Vorteil ist gewaltig: Die Erde reflektiert nicht nur einen Teil des sichtbaren Lichts der Sonne, sondern sie strahlt auch die von der Erdoberfläche absorbierte Energie als Wärmestrahlung wieder ab. Jeder Satellit, der die Erde umkreist, wird durch diese Strahlung auf etwa minus 20 Grad „aufgeheizt“. Weit entfernt von der Erde dagegen kann der neue Satellit allein durch die Kälte des Weltraums auf etwa minus 240 Grad abkühlen. Die aktive Kühlung durch das flüssige Helium muss die Temperatur des Satelliten nur noch um etwa 30 Grad weiter senken. In einer erdnahen Umlaufbahn beträgt diese Differenz 250 Grad.

Mit einem Spiegeldurchmesser von 85 Zentimetern ist das neue Teleskop nur unwesentlich größer als das 60-Zentimeter-Fernrohr des Vorgängersatelliten. Aber mit seinen größeren und weitaus empfindlicheren Detektoren ist der neue Satellit um das Tausendfache leistungsfähiger als die bisherigen Beobachtungsinstrumente.

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