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Gesundheit: Lehrer und Schüler sind ineffizient Der erste Bildungsbericht

für Deutschland kritisiert traditionelle Unterrichtskultur und Leistungsdruck

Die zeitliche Belastung deutscher Lehrer ist relativ hoch – höher als im sonstigen öffentlichen Dienst. Das ist eines der Ergebnisse des ersten Bildungsbericht in der Geschichte der Bundesrepublik, der der Öffentlichkeit am Freitag in  Darmstadt von den Kultusministern präsentiert wird. Das Konsortium, das den Bericht unter Leitung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main verfasst hat, stellt jedoch fest, die Lehrer seien mit den Unterrichtsaufgaben auf Grund der vorgegebenen Lehrpläne und Stundentafeln so belastet, dass zu wenig Zeit für andere pädagogische Aufgaben wie die Beratung der Schüler übrig bleibe.

Auch die Zeit der Schüler werde nicht effizient genutzt. Die deutschen Schüler begönnen im internationalen Vergleich mit dem zielgerichteten Lernen spät und verbrächten viele Lebensjahre in Bildungseinrichtungen, in „denen sie zugleich zeitlich wenig gefordert werden“, heißt es in dem Bericht. In deutschen Schulen sei die Grundlage des Unterrichts eine „weltweit wohl einmalige Anzahl und Vielfalt an Lehrplänen und Stundentafeln in den Ländern und Schulformen“. Auf der anderen Seite würden den deutschen Schülern im internationalen Vergleich eher durchschnittliche Gesamtstundenzahlen an den Schulen geboten. Denn die Ganztagsschule steckt in Deutschland erst in den Anfängen.

Die Klassengrößen in Deutschland sind für die Autoren des Bildungsberichts nicht das zentrale Problem. Die Experten bezweifeln, dass von kleineren Klassen allein die erhofften positiven Effekte ausgehen. Wirkungsvoller könne eine flexiblere Verteilung von Aufgaben an unterschiedliche Schülergruppen sein. Das wiederum lasse sich verbessern, wenn die einzelnen Schulen mehr Entscheidungsspielraum über Stundentafeln und die Einteilung von Lerngruppen erhalten. In Deutschland sei die Kooperation der Lehrer untereinander unterentwickelt.

Die Partizipation der Schüler am Schulgeschehen ist zwar gesetzlich geregelt worden, scheint aber in der Praxis keinen hohen Stellenwert zu besitzen. Das SchülerLehrer-Verhältnis sei kühl, die Schüler empfänden den Leistungsdruck als hoch, sie bekämen von den Lehrern zu wenig Unterstützung bei ihren Problemen. Die Unterrichtskultur sei daher eng fixiert und zu traditionell.

Die Schulnoten seien über die Schulformen hinweg, ja selbst innerhalb einer Schule in den verschiedenen Klassen kaum vergleichbar. Um dies zu ändern, sollten künftig die Schulnoten enger an die Bildungsstandards und regelmäßige Vergleichsarbeiten angelehnt werden. Beide Reformen sind inzwischen vorbereitet worden. In immer mehr Ländern werden Vergleichsarbeiten in verschiedenen Klassen, ja Schulen geschrieben. Solche Vergleichsarbeiten sollen künftig nach Empfehlung der Experten sogar länderübergreifend üblich werden. Über die Einführung von Bildungsstandards zunächst zum mittleren Abschluss an den Schulen der Sekundarstufe I wollen die Kultusminister im Herbst 2004 entscheiden.

Der Bildungsbericht stellt auch fest: Wenn die Gegensätze durch soziale Spannungen und immer mehr Ausländerkinder an den Schulen sowie durch den dramatischen Rückgang der deutschen Schülerzahlen zusammenkommen, werde es immer schwerer, den Heranwachsenden aus allen Schichten der Bevölkerung gleiche Bildungschancen zu bieten. Jedoch wird das Ziel der systematischen Förderung der Schüler dadurch erschwert, dass die im internationalen Vergleich geringe Höhe der Bildungsausgaben in Deutschland die Umsetzung von notwendigen Reformen gefährdet. Inzwischen gebe es ärmere und reichere Regionen. Durch diese Auseinanderentwicklung werde die Wahrung gleicher Lebensverhältnisse überall erschwert. Uwe Schlicht

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