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Gesundheit: Libyen: Angeklagte unschuldig

Trotzdem droht im Aids-Prozess Todesstrafe

Neue wissenschaftliche Ergebnisse entlasten den palästinensischen Arzt und die fünf bulgarischen Krankenschwestern, die derzeit in Libyen vor Gericht stehen. Sie sind angeklagt, mehr als 400 libysche Kinder absichtlich mit gefährlichen Aids- und Hepatitis-Viren infiziert zu haben. „Unsere Studie beweist, dass sich die Infektionen ereignet haben müssen, bevor die Angeklagten nach Libyen kamen“, sagte Oliver Pybus, Genforscher an der britischen Universität Oxford, dem Tagesspiegel. Die Ergebnisse des internationalen Forscherteams wurden am gestrigen Mittwoch online im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.

Die Infektionen könnten durch mangelhafte Hygiene verursacht worden sein, sagten Kenner der libyschen Verhältnisse im Verlauf der acht Jahre immer wieder, seitdem die Angeklagten in Haft sind. So waren nicht sterilisierte Instrumente und Mehrfachspritzen in dem Hospital in Bengasi in Gebrauch. Dennoch wurden die Angeklagten 2004 zum Tode verurteilt. Im Berufungsprozess am 19. Dezember droht dasselbe Urteil.

„Der Blick auf die Zeitskala hat uns Klarheit verschafft“, sagt Pybus. Damit meint er die Untersuchung der genetischen Veränderungen, die im Laufe der Zeit im Erbgut der Erreger ihre Spuren hinterlassen haben. „Das hat bisher noch niemand gemacht“, erklärt der britische Forscher. Ausgangspunkt der Studie waren Proben von 51 der infizierten Kinder, die in europäischen Krankenhäusern behandelt wurden. Aus den Veränderungen im Erbgut wurde mit statistischen Methoden der Stammbaum der Viren erstellt. Dabei zeigte sich, dass die Viren ausnahmslos bereits in Libyen zirkulierten, bevor die Krankenschwestern und der Arzt in Bengasi ankamen. „Das ist ein sicherer wissenschaftlicher Beweis, dass die Infektion nicht vorsätzlich geschehen sein kann“, sagt Pybus.

Paul Janositz

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