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Gesundheit: Licht hellt die Seele auf

Jetzt in der dunklen Jahreszeit fühlen sich viele Menschen oft müde und niedergeschlagen Doch manche erkranken jeden Winter an einer ernsthaften Depression. Ein Lichttherapie kann helfen

Was wichtig ist, erkennen wir meistens dann, wenn es nicht mehr da ist. Jetzt sind die Tage kurz, der Himmel ist häufig bedeckt, richtig hell wird es selten, und die Nächte beginnen schon am frühen Nachmittag. Da wird besonders deutlich, welche Bedeutung Licht für das menschliche Wohlempfinden hat. Viele kommen jetzt schwerer aus dem Bett, sind schneller müde und antriebslos. Jeder Fünfte in Deutschland soll von diesem Winterblues betroffen sein.

Es gibt allerdings einen festen Anteil von rund zwei Prozent der Bevölkerung in Mitteleuropa, bei dem die Symptome über eine normale Niedergeschlagenheit hinausgehen. Sie haben im Winter eine so genannte Saisonal Abhängige Depression (SAD). Ihre Stimmung ist im Keller, sie können sich schlecht konzentrieren, ziehen sich von Freunden zurück, schlafen zwar lange, fühlen sich danach aber nicht erfrischt.

Schon Hippokrates (460-370 v. Chr.) beobachtete, dass im Winter mehr Menschen depressiv werden als im Sommer. In seinem Aufsatz „Über Lüfte, Gewässer und Örtlichkeiten“ schrieb er, dass Bewohner sonniger Länder einen fröhlicheren Charakter und klarere Stimmen hätten. Trotzdem wurde SAD erst im 20. Jahrhundert erforscht und als eigenständige Krankheit anerkannt. 1982 entdeckte Alfred Lewy den Zusammenhang von Winterdepression und Lichtmangel. Er fand heraus, dass eine hohe Dosis Licht die Melatoninausschüttung im Körper unterdrücken kann.

Melatonin ist ein Hormon, dass von der Zirbeldrüse im Kopf abgegeben wird und dafür sorgt, dass Menschen (und auch Tiere) bei Dunkelheit müde werden. Gesteuert wird die Zirbeldrüse über mehrere Zwischenstationen von dem Licht, das auf die Netzhaut fällt. Ist zu wenig Licht vorhanden, wird die Produktion von Melatonin nicht unterbunden. Schläfrigkeit, sinkende Körpertemperatur und gedämpfte Aktivität sind die Folge.

Am Zehlendorfer Theodor-Wenzel-Werk können sich SAD-Betroffene seit 1997 einer Lichttherapie unterziehen. Der eigens dazu eingerichtete Raum ist in warmen Gelbtönen mit rötlichen Vorhängen gehalten. Sechs Liegen stehen bereit, deren hölzerne Armlehnen zusätzlich für Wohlbefinden sorgen sollen. Die Patienten liegen dort zwei Stunden und blicken in einen Kranz aus Licht an der Decke, der das Tageslicht imitiert und aus fluoreszierenden Röhren besteht. Die Augen werden dabei nicht geschädigt. Der UV-Anteil des Lichts, der im Sonnenstudio für die Bräunung sorgt, wird herausgefiltert. „Um einen therapeutischen Effekt zu erzielen, muss das Licht mindestens 2500 Lux stark sein“, sagt Arthur Mackert, Chefarzt der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie I am Theodor-Wenzel-Werk. Zum Vergleich: Eine normale Glühbirne im Wohnzimmer mit 60 Watt hat zwischen 200 und 300 Lux.

Die Patienten müssen nicht die ganze Zeit ins Licht blicken. Es genügt einmal pro Minute für ein paar Sekunden. Ansonsten können sie lesen, Musik hören oder sich unterhalten. Auch das ist Teil der Therapie. Manche von ihnen sehen sich jeden Winter aufs Neue und tauschen ihre Erfahrungen aus. Grundsätzlich kann jeder an der Lichttherapie teilnehmen. Es gibt einige schwer depressive Patienten, die stationär behandelt werden. Andere werden von niedergelassenen Ärzten ins Theodor-Wenzel-Werk geschickt und kommen über einen Zeitraum von zwei Wochen nur morgens oder abends, um ansonsten ihrem Beruf nachzugehen. Die Kosten übernehmen die Kassen.

Aber nicht nur bei SAD-Patienten hellt Licht die Stimmung auf. „Licht hat generell einen großen Einfluss auf unsere Emotionen“, sagt Arthur Mackert. „Vor allem gelbliches und rötliches Licht ist positiv, weil es eine ausgleichende Funktion hat.“ Das dürfte auch der Grund dafür sein, sagt er, dass sich die Menschen immer noch gerne Kerzen anzünden, obwohl es längst modernere und stärkere Lichtquellen gibt. Er selbst ist zudem ein Freund des Gaslichts, dass immer noch viele Straßen Berlin beleuchtet. Jeden Abend kann man hier aufs Neue sehen, wie positiv sich die warmen Farben des Spektrums auf den Beobachter auswirken. Energiesparlampen dagegen leuchten fahl und kalt und haben bis jetzt in den Läden einen schweren Stand.

Arthur Mackert rät, die Wohnung mit indirektem Licht zu gestalten, sodass die Decke ausgeleuchtet wird. Das wirkt homogen und ausgleichend. Außerdem kann sich jeder selbst eine Lichtdusche für den Gebrauch zu Hause oder im Büro anschaffen. Sie sind so groß, dass man sie bequem auf den Schreibtisch stellen, innerhalb einer Minute mehrmals kurz ins Licht blicken und ansonsten weiterarbeiten kann. Mehrere Studien haben allerdings herausgefunden, dass die Wirkung der Lichtdusche morgens, gleich nach dem Aufstehen, am höchsten ist. Die Preise liegen zwischen 50 und 300 Euro, viele Modelle kann man sich vorher im Internet, zum Beispiel bei Amazon, ansehen. Man sollte aber beim Kauf darauf achten, dass das Gerät von der Stiftung Warentest geprüft ist.

Einfacher und billiger ist es, jetzt im Winter jede Möglichkeit zu nutzen, an die frische Luft zu kommen und zum Beispiel an den vielen Berliner Seen spazieren zu gehen. Die motorische Aktivität tut gut, und Wasser reflektiert – wenn es gefroren ist, noch stärker – das Tageslicht. Die schönste Lichtdusche liefert die Natur frei Haus.

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