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Gesundheit: „Liebe ausländische Mitbürger!“

Wie man es richtig sagt

„Von Migranten, Migrantenkindern und jugendlichen zu sprechen“, sei am unverfänglichsten, rät Havva Engin, Erziehungswissenschaftlerin an der Technischen Universität Berlin. „Migranten“ sind alle Bürger, die nach Deutschland gekommen sind und – unabhängig von der Passzugehörigkeit – ihren ständigen Lebensmittelpunkt hier haben. Engin, die selber einen Migrationshintergrund hat (siehe Artikel auf dieser Seite), kennt sich im deutschen Verwaltungskauderwelsch bestens aus. Immer neue Varianten für die möglichst politisch korrekte Bezeichnung der ausländischen Mitbürger (veraltet!) werden entwickelt, aber selbst Politiker und Journalisten sind tief verunsichert: Wie heißt es richtig?

Ausländer, das am häufigsten benutzte Wort, ist in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren unscharf geworden. Denn so können nur Inhaber eines ausländischen Passes genannt werden. Sehr viele Migranten haben aber inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Und damit sind sie nicht Mitbürger, sondern vollwertige Bürger.

Die Berliner Verwaltung nennt Migrantenkinder offiziell Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache (SndH). Dieser Begriff erfasst alle Schüler, deren Erstsprache nicht Deutsch ist: also neben Kindern von klassischen Arbeitsmigranten (korrekt für Gastarbeiter, die ja nicht mehr Gäste, sondern Bürger sind) auch die von deutschstämmigen Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion. Einen Menschen nach seiner Muttersprache einzuordnen ist auch schwerer geworden: Wenn der Vater persisch spricht, die Mutter kurdische Muttersprachlerin ist, aber mit dem Kind türkisch spricht, könne man nur noch von Familiensprache sprechen, sagt Havva Engin – und die sei weniger aussagekräftig. Bei ethnisch gemischten Elternpaaren ist die Familiensprache oft Deutsch – gebrochenes Deutsch.

Schulen und andere staatliche Stellen müssen die Kids heute SndH nennen, aber vor allem in den Medien ist jetzt verkürzt von Kindern nichtdeutscher Herkunft oder gar von Nichtdeutschen die Rede. Dies empfinden allerdings viele – nicht nur Migranten – als diskriminierend. Durch die Negation wirken diese Begriffe trennend und ablehnend, sagt Havva Engin, auch wenn sie gar nicht so gemeint seien. Die ganze Diskussion sei eben „durch unsere Geschichte aufgeladen mit Interpretationen von Rassismus“. In offiziellen Zusammenhängen wird auch gerne von Bildungsinländern gesprochen: Das sind hier lebende Menschen mit ausländischem Pass, die aber in Deutschland die Schule abgeschlossen haben. Bildungsausländer sind Studenten, die aus dem Ausland zu Studienzwecken nach Deutschland kommen.

Aber wie kann man ausdrücken, dass die deutsche Staatsbürgerin, Bildungsinländerin und Migrantentochter Havva Engin als Türkin geboren wurde? Ist sie türkischstämmig oder deutsch-türkisch? Beides nicht ganz korrekt, sagt Engin. Sie selber bezeichne sich als eine Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund – aber Deutschtürkin sei auch in Ordnung. -ry

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