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Gesundheit: Lotse im All

Das Satellitennetz „Galileo“ macht Europa unabhängig vom US-Navigationssystem GPS. Die erste Sonde soll bis Jahresende starten.

Wer mit einem „Navi“ im Auto fährt, braucht nicht mehr mühsam in Stadtplänen oder Landkarten suchen – er wird bequem ans Ziel gelotst. Kein Wunder, dass Navigationssysteme als Geschenk zu Weihnachten gefragt sind. Laut ADAC besaßen im vergangenen Jahr sieben Millionen europäischer Autofahrer ein solches Gerät. Bis Ende 2005 werden es schätzungsweise zwölf Millionen sein. Auch Radfahrer, Wanderer oder Segler setzen zunehmend auf diese Technik. Im Flug-, Schiffs- oder Eisenbahnverkehr sind Naviagtionsgeräte ohnehin längst unersetzlich.

Derzeit funktionieren die meisten Navigationsgeräte auf Basis des amerikanischen GPS (Global Positioning System) – ein Satelliten gestütztes Ortungssystem, das vom US-Verteidigungsministerium betrieben wird. Es hat, weltweit für militärische und zivile Anwendungen genutzt, eine globale Monopolstellung erlangt. Wer GPS nutzt, ist auf die Amerikaner angewiesen.

Nun sind die Europäer dabei, ein eigenes Satelliten-Ortungssystem, namens „Galileo“ zu entwickeln. 2001 wurde das Projekt erstmals technisch definiert. „,Galileo’ ist ein Komplementärsystem zu GPS und soll uns unabhängiger von den Amerikanern machen“, sagt Achim Bachem, Vorstandsmitglied beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Köln. Komplementär bedeutet hier, dass Galileo mit GPS kombinierbar sein soll. Für eine Ortsbestimmung lassen sich dann Satelliten beider Systeme bei Bedarf gemeinsam nutzen.

Der Aufbau des Systems soll zwischen 3,2 und 3,6 Milliarden Euro kosten. Im Endzustand besteht es aus dreißig Satelliten, über fünfzig Bodenstationen und zwei Kontrollzentren. Die Satelliten verteilen sich auf drei verschiedene, je um 120 Grad gegeneinander verdrehte Umlaufbahnen. Jede von ihnen ist 56 Grad gegen die Äquatorebene geneigt und verläuft in 24 000 Kilometern Höhe.

Die Satelliten haben Atomuhren an Bord und senden von Zeit zu Zeit Funksignale aus. Empfangsgeräte auf der Erde – etwa im Navigationssystem eines Autos – registrieren die Signale und ermitteln, wie lange sie vom Sender zum Empfänger gebraucht haben. Daraus ergeben sich die Entfernungen der Satelliten. Die Empfangsgeräte kennen zudem die Details der Satellitenbahnen, „wissen“ also, wo sich welcher Satellit befindet.

Wie lässt sich nun der präzise Ort des Empfängers auf der Erde berechnen? Mathematisch gesehen befindet sich das Empfangsgerät auf der Oberfläche einer gedachten Kugel, deren Mittelpunkt beim Satelliten ist und dessen Radius der Entfernung entspricht. Um die genaue Position und Höhe bestimmen zu können, reichen die Signale von drei Satelliten. In der Regel haben die Navigationsgeräte aber keine Uhr, die genau genug wäre, um die Laufzeiten korrekt berechnen zu können. Deshalb wird meist das Signal eines vierten Satelliten benötigt.

Die Ortsbestimmung mit Galileo soll auf vier Meter genau sein. „Das entspricht etwa der Präzision des GPS-Systems“, sagt Bachem. Allerdings gilt dieser Wert nur für den kostenlosen Basisdienst: Zahlenden Nutzern soll höhere Genauigkeit geboten werden, zunächst bis auf einen Meter, später bis auf wenige Zentimeter. Sonderleistungen wie verschlüsselte Nachrichtenübermittlung oder permanente Überwachung der Signalgüte sollen weitere Kunden locken.

Studien prognostizieren ein großes Geschäft. Galileo soll europaweit 100 000 Arbeitsplätze schaffen und jährliche Geschäftsabschlüsse in Höhe von neun Milliarden Euro erzielen. „Dies sind zwar Schätzungen, doch wir gehen davon aus, dass die realen Zahlen in dieser Größenordnung liegen werden“, sagt Bachem.

Es sind jedoch noch einige Probleme zu lösen. Galileo hinkt im Zeitplan mehrere Jahre hinterher. Ursprünglich war vorgesehen, bis Ende 2005 die ersten vier Satelliten ins All zu bringen sowie 25 Bodenstationen und ein Kontrollzentrum in Betrieb zu nehmen, um diese dann im Zusammenspiel zu testen. Bisher hat jedoch kein einziger Satellit die Erde verlassen. Der erste von ihnen, „Giove A“, soll bis Endes des Jahres starten. Die endgültige Verfügbarkeit des Systems, anfänglich auf 2008 avisiert, wird nun nicht vor 2011 erwartet.

Grund für die Verzögerung war ein längerer Streit zwischen den beteiligten EU-Staaten. „Es war nicht einfach, sich darauf zu einigen, wie Galileo als gesamteuropäisches Projekt gemanagt werden soll“, sagt Bachem. Deutschland als größter Zahler hatte gefordert, bei Projektaufträgen stärker berücksichtigt zu werden – mit Erfolg: Kürzlich verständigten sich die EU-Verkehrsminister darauf, das deutsche Industriekonsortium TeleOp an Galileo zu beteiligen. Außerdem kommt eines der beiden Galileo-Kontrollzentren ins bayerische Oberpfaffenhofen, wo es vom DLR betreut wird.

Inzwischen steht auch weitgehend fest, wer das Galileo-Projekt nach dessen Fertigstellung betreiben soll. Es wird voraussichtlich ein gesamteuropäisches Industriekonsortium aus acht großen (Alcatel, EADS Space Technologies, TeleOp und andere) und Dutzenden weiteren Unternehmen sein.

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