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Gesundheit: Mäuse sind auch nur Menschen

99 Prozent der Gene hat der Mensch mit dem Nager gemeinsam – wir besitzen sogar die Erbanlagen, die einen Schwanz hervorbringen könnten

Für das Titelbild der heutigen Ausgabe von „Nature“ ließen sich die Redakteure des Wissenschaftsmagazins einen hintergründigen Witz einfallen. Sie setzten eine Maus aus Hunderten menschlicher Porträtaufnahmen zusammen. In diesem Heft berichten Forscher vom entzifferten Maus-Genom.

Warum dann die Menschenbilder? Weil wir Mäuse ohne Schwänze sind, meint Jane Rogers vom Londoner Sanger-Institut: „Wir teilen 99 Prozent unserer Gene mit Mäusen – und haben sogar jene Erbanlagen, mit denen wir einen Schwanz machen könnten!“ Zwischen Maus und Mensch liegen ganze 300 Gene Unterschied – von 30000. Viele dieser mäusetypischen Erbanlagen schärfen den Geruchssinn der Nager und prägen ihr Sexualverhalten.

Dass wir am Ende trotz der großen genetischen Übereinstimmung Menschen sind, verdanken wir demnach wohl nicht nur den Genen, sondern anderen Faktoren, die „oberhalb“ der Erbinformation liegen. So kommt es nicht nur auf den genetischen Bauplan an, sondern auch darauf, welche Gene abgelesen werden. Und auf die Art und Weise, wie die Gene miteinander kommunizieren und wie ihre Produkte – meist Proteine – in der Zelle weiterverarbeitet („prozessiert“) werden. Der genetische Apparat von Mensch und Maus ist mit einer Fabrik vergleichbar: die ist zwar in beiden Fällen weitgehend baugleich – die jeweiligen Produkte aber sind ganz verschieden.

Auf der anderen Seite lässt sich auch im Genom deutlich ablesen, dass sich die evolutionären Wege von Maus und Mensch vor etwa 75 Millionen Jahren trennten. Denn es gibt zwar für 99 Prozent der menschlichen Gene eine Entsprechung bei der Maus – aber auf der Ebene der einzelnen biochemischen Buchstaben, der Nukleotide, beträgt die Übereinstimmung nur noch 40 Prozent.

Das Maus-Erbgut umfasst 2,5 Milliarden biochemische Buchstaben. Damit ist es um 14 Prozent kleiner als das Genom des Menschen mit seinen 2,9 Milliarden Buchstaben. 95 Prozent der Maus-Erbinformation hat das Genom-Konsortium seit Oktober 2000 entziffert. Die Federführung lag bei Eric Lander vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und bei Robert Waterston von der Universität Washington in St. Louis. Vor diesem öffentlich geförderten Maus-Projekt hatte bereits das US-Biotechnikunternehmen Celera das Erbgut der Maus sequenziert. Die Firma verlangt 45000 Dollar Nutzungsgebühr für drei Jahre.

Das Genom der Maus hat für Wissenschaft und Medizin große Bedeutung. Man schätzt, dass weltweit 25 Millionen Mäuse in Versuchslabors gehalten werden. An ihnen werden die Ursachen und neue Behandlungsmethoden für Krankheiten wie Krebs und Herzleiden studiert. Labormäuse und -ratten sind „des Wissenschaftlers bester Freund“. Das frei zugängliche Mäusegenom ermöglicht es nun Forschern, eine Art vergleichende Philologie des Erbguts zu treiben.

Man wird nun besser verstehen, welchen Einfluss bestimmte Gene auf Krankheiten haben. Ein Beispiel dafür findet sich in der gleichen Ausgabe von „Nature“. Europäische und amerikanische Forscher gingen der Frage nach, wie Gene in Raum und Zeit wirken. Sie entwarfen ein dreidimensionales Bild des sich entwickelnden Mausembryos und verzeichneten hier Gene, die ihre Entsprechung im menschlichen Chromosom 21 haben. Das ist just jener Erbträger, der bei Menschen mit Down-Syndrom in jeder Körperzelle dreimal statt zweimal vorkommt und der deshalb eine Reihe von Fehlbildungen hervorruft. Wie, das können die Wissenschaftler bald besser verstehen. Auch wenn eine ursächliche Behandlung immer noch nicht existiert.

Das Maus-Genom im Internet:

www.ensembl.org

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