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Gesundheit: Magnete im Gleichtakt

Dresdner Forscher finden erstmals Bose-Einstein-Kondensat in Festkörpern

Das Bose-Einstein-Kondensat ist ein ganz besonderer Zustand der Materie und spornt Physiker weltweit immer wieder zu Höchstleistungen an. So errang 2001 der deutsche Physiker Wolfgang Ketterle für Arbeiten auf diesem Gebiet den Nobelpreis. Nun meldet das Dresdner Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe (CPFS) einen neuen Erfolg. „Zum ersten Mal ist es gelungen, zweifelsfrei eine Bose-Einstein-Kondensation von magnetischen Anregungen in einem Festkörper nachzuweisen“, sagt Sprecherin Liane Schröder.

Neben Festkörpern, Flüssigkeiten, Gasen und Plasmen bilden diese Bose-Einstein-Kondensate den fünften bekannten Zustand der Materie. Das Faszinierende an diesem Effekt ist, dass alle Teilchen einen einheitlichen Quantenzustand annehmen und darüber hinaus alle Teilchen im Gleichtakt schwingen. Nahe am absoluten Temperaturnullpunkt verlieren alle Atome ihre Individualität. Theoretisch war dieser Zustand von Satyendra Bose und Albert Einstein bereits 1924 vorhergesagt worden.

Das erste makroskopische Quantenphänomen, das mit der Bose-Einstein-Kondensation interpretiert werden konnte, war im Jahr 1934 die Suprafluidität eines Heliumisotops. Die experimentelle Realisierung der Bose-Einstein-Kondensation von schwereren Atomen gelang 1995 Wolfgang Ketterle. Voraussetzungen für den Erfolg waren das Erreichen von sehr tiefen Temperaturen und eine relativ geringe Anzahl Atome pro Kubikzentimeter.

Auch die Dresdner Gruppe setzte auf tiefe Temperaturen, die bis zu etwa drei Hundertstelgrad an den absoluten Temperaturnullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius heranreichten. Hinzu kamen hohe Magnetfelder, hunderttausendmal so stark wie das Erdmagnetfeld. Dadurch war es möglich, die Anzahl der kondensierten Teilchen – in diesem Fall magnetische Elementaranregungen, so genannten Magnonen – exakt einzustellen. Untersucht wurden die magnetischen Eigenschaften des Isolators Cs2CuCl4. In dieser Substanz sind die Kupferatome magnetisch. Sie sind im Festkörper so angeordnet, dass sie Ebenen bilden.

„Der Phasenübergang zwischen Ferro- und Antiferromagnetismus bei sehr tiefen Temperaturen lässt sich im Rahmen der Bose-Einstein-Kondensation von Magnonen beschreiben“, sagt Teodora Radu, die mit ihren Kollegen aus der Dresdner Arbeitsgruppe „Festkörper-Tieftemperatur-Physik“ sowie dem britischen Forscher Radu Coldea die Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ (2005, Heft Nr. 12) veröffentlichte (vorab online am 15. 9.).

Coldea war es gewesen, der zuerst vermutet hatte, dass die kupferhaltige Substanz für die Suche nach dem Bose-Einstein-Kondensat geeignet sein könnte. Die von ihm durchgeführten Neutronenstreuexperimente lieferten die Grundlage für die thermodynamischen Messungen in Dresden, die ihm Recht gaben.

Bei ihren Experimenten senkten die Dresdner Physiker die Temperatur kontinuierlich ab, ließen aber das Magnetfeld (bis zu zwölf Tesla) konstant. So konnten sie schließlich die Temperatur finden, unterhalb derer die Substanz in einen magnetisch geordneten Zustand übergeht.

Außerdem zeigten sich weitere Fakten, die beim Auftreten der gesuchten Bose-Einstein-Kondensation erfüllt sein müssen. Damit ist Cs2CuCl4 der erste Festkörper, in der alle theoretisch geforderten Bedingungen im Experiment eindeutig nachgewiesen wurden. „Es wird in der Fachwelt als Sensation angesehen“, sagt Schröder.

Paul Janositz

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