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Gesundheit: Maul- und Klauenseuche: Ein Virus, das sich in Windeseile verbreitet

Erst die Rinderseuche BSE hat die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere öffentlich bekannt gemacht. Denn von ihrem Tübinger Standort aus wurden die ersten deutschen Verdachtsfälle bestätigt.

Erst die Rinderseuche BSE hat die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere öffentlich bekannt gemacht. Denn von ihrem Tübinger Standort aus wurden die ersten deutschen Verdachtsfälle bestätigt. Dramatische Anrufe gehen bei den Spezialisten allerdings nicht erst seit kurzem und nicht nur in Sachen Rinderwahn ein. Am 8. November 1996 etwa meldete sich das Veterinäramt des bayrischen Landkreises Traunstein: Fieber und Lahmheit waren bei 230 Schweinen aufgetreten. Verdacht auf Maul- und Klauenseuche.

Jetzt hieß es: Schnell handeln. Die Polizei riegelte das Gehöft und den Ortsteil sofort ab. Gewebeproben von den Klauen und Blutproben wurden per Hubschrauber nach Tübingen geschickt. Ein Schnelltest allein genügte zwar nicht, um Entwarnung zu geben. Nach weiteren Laboruntersuchungen war es aber amtlich: Die oberbayerischen Schweine waren nicht an Maul- und Klauenseuche erkrankt, sondern litten an den Folgen einer Selenvergiftung.

Seit 1988 ist in den alten, seit 1982 in den neuen Bundesländern kein Fall der fieberhaften Virusinfektion mehr aufgetreten. Anders ist das in vielen Ländern Asiens, zum Beispiel in der Türkei. In der griechischen Provinz Evros mussten im Jahr 1996 wegen der Seuche über 30 000 Rinder, Schafe und Ziegen getötet werden. Den Bauern bleibt in solchen Fällen keine andere Wahl, denn die Bestimmungen sind streng: Die Krankheit muss unverzüglich gemeldet, befallene und möglicherweise infizierte Tiere müssen getötet und beseitigt werden. Versuche, kranke Tiere zu behandeln, sind verboten.

Zum Schutz vor der in Großbritannien ausgebrochenen Maul- und Klauenseuche sind in Nordrhein-Westfalen nun 350 Schafe getötet worden, die direkt aus einem von der Seuche befallenen britischen Betrieb stammten. Denn die Maul- und Klauenseuche (MKS) ist hoch infektiös: Nicht nur von Tier zu Tier, auch über Mensch oder Maschine als Zwischenträger und sogar über den Wind können die Viren übertragen werden. Infizierte Tiere scheiden die Krankheitserreger über Monate aus. Sie gehören zu den Picornaviren, deren Name sich einer Zusammensetzung aus "pico" (klein) und RNA (Ribonukleinsäure) verdankt und denen auch die Erreger der Kinderlähmung und Hepatitis A zuzurechnen sind.

Geschwüre an Schleimhäuten

Dem Menschen können die MKS-Viren zwar wirtschaftlich sehr viel, gesundheitlich aber nur wenig anhaben. Bei Landwirten, die mit erkranktem Vieh in Kontakt kamen, fanden sich zwar Antikörper. Doch außer kleinen Hautreaktionen gab es keine Krankheitszeichen. Anders bei Rindern, Schweinen, Schafen oder Ziegen. Neben Fieber haben die Tiere Bläschen und schmerzhafte Geschwüre an der Schleimhaut, vor allem an Maul und Klauen. Sie fallen dann dadurch auf, dass ihnen vermehrt Speichel aus dem Maul läuft, dass sie weniger Milch geben und wegen der Schmerzen Schwierigkeiten beim Gehen haben. Tödlich ist die Krankheit meist nicht, Jungtiere können jedoch Schädigungen des Herzmuskels davontragen, die zum Herzversagen führen.

Impfen verboten

Warum werden nicht alle gefährdeten Tiere geimpft, wie das in vielen Ländern Europas über Jahrzehnte mit den Rinderbeständen geschah? Warum ist die Impfung sogar seit 1991 in der gesamten EU verboten? Die Schutzmaßnahme hat zwar geholfen, die in Europa bisher hauptsächlich vorkommenden Virus-Stämme einzudämmen. Doch sie erfasste unter beträchtlichen Kosten nur drei von etwa 60 Subtypen.

Der Veterinärmediziner Matthias Kramer vom Institut für Epidemiologie der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Wusterhausen an der Dosse nennt einen weiteren Grund, der gegen die Routine-Impfung spricht: Wirklich frei von Maul- und Klauenseuche ist ein Land nur, wenn es auch ohne Immunisierung der Tiere keine Ausbrüche gibt. "Wer impft, hat also etwas zu verbergen." Das denken zumindest die internationalen Handelspartner. Und so könnte es den Absatz von italienischem Parmaschinken in Kalifornien beeinträchtigen, wenn jetzt irgendwo in der EU wieder gegen MKS geimpft würde.

Statt der serienmäßigen Impfung ergriffen die Europäer Anfang der 90er Jahre eine andere Maßnahme. Sie bauten verschiedene "Impfbanken" auf, bei denen tiefgefrorene Viruskonzentrate oder fertige Impfstoffe, passgenau für verschiedene Subtypen, auf die hohe Kante gelegt wurden. So kann man im Ernstfall schnell und gezielt eingreifen.

Die deutsche Bank liegt bei der Firma Bayer in Leverkusen. Kramer kann sich den Einsatz ihrer Vakzinen-Bestände jedoch allenfalls für Tiere in Sperrbezirken oder bei "hoher Klauentier-Bestandsdichte" in einer gefährdeten Gegend vorstellen. Geforscht werden darf mit dem MKS-Virus wegen der Ansteckungsgefahr nur in Hochsicherheits-Labors. Neben dem Standort Tübingen der Bundesforschungsanstalt bietet sich dafür auch deren Hauptsitz auf der Ostseeinsel Riems an.

Adelheid Müller-Lissner

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